Es muss sich viel Frust angestaut haben beim Philosophenkönig der deutschen Politik. Verständlich, niemand geht gerne als Gescheiterter. Aber die Heftigkeit, mit der Robert Habeck noch im Abgang gegen die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner pöbelte, war bemerkenswert. Sie habe „immer nur polarisiert, polemisiert und gespalten“; auch das Wort „Dämlichkeit“ fiel.
Nun ist Julia Klöckner in der CDU eine, die sich was traut – und bei der nicht jeder Ton immer ganz exakt sitzt. Ihre forsche Ansage, auf dem Reichstag werde zum Berliner Christopher Street Day diesmal nicht die Regenbogenfahne gehisst, dürfte die Parlamentspräsidentin mittlerweile selbst bereuen. Klöckner ist nicht homophob, doch muss sie sich seither mit dieser Zuschreibung herumschlagen. Auch von den Kirchen, von denen besonders Vertreter der einen zeitweise aufgetreten sind wie NGO-Aktivisten, gab es viel Haue, als sie diesen riet, sich nicht zu sehr in die Tagespolitik einzumischen. Und seit sie der linken „taz“ und dem rechten „Nius“ Ähnlichkeiten in der „Methodik“ konstatierte, zeigt sich sogar SPD-Chef Klingbeil „irritiert“ über Klöckner.
Es würde der Parlamentspräsidentin vermutlich nicht schaden, künftig ein wenig vom Gaspedal zu gehen. Doch sollten sich auch ihre Kritiker von Grünen, SPD und der Linken zügeln. Zwar ist die 52-Jährige in der CDU im eher konservativen Flügel zu Hause, doch ist sie so wenig wie Fraktionschef Jens Spahn die Neurechte, zu der ihre Kritiker sie zu stilisieren versuchen. Linke, Grüne, SPD, CDU und CSU sind kein Gesangsverein, in dem jeder den gleichen Ton anstimmen muss, während die AfD den großen Rest der Stimmen derer einsammeln darf, die sich nicht als woke und progressiv betrachten. Die ungebremste Wut, die die beiden Merz-Vertrauten zu spüren bekommen, speist sich wohl vielmehr aus dem Schmerz der politischen Linken in Deutschland darüber, dass sie mit den jüngsten Wahlen auch ihre Diskurshoheit verloren hat. Zu Recht mahnt Julia Klöckner, dass es gefährlich wird, wenn die Demokraten der Mitte anfangen, sich gegenseitig ihre demokratischen Überzeugungen abzusprechen. Als schlechter Verlierer hat Robert Habeck, der selbst ernannte deutsche Chef-Demokrat, zum Abschied noch eine Brandfackel auf seinen alten Arbeitsplatz im Bundestag geschleudert. GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET