KOMMENTARE

Der Westen muss sich jetzt zusammenraufen

von Redaktion

Xis neue Weltordnung

Er wirkte geradezu beleidigt. Kurz vor der protzigen Militärparade in Peking warf Donald Trump den drei Protagonisten Xi, Putin und Modi vor, sich gegen die USA verschworen zu haben. Wäre das nicht bloß Ausdruck eines gekränkten Egos, könnte man dem US-Präsidenten wohl zustimmen, müsste ihn aber dringend an eines erinnern: Indem er die alten Bündnisse schleift und den globalen US-Einfluss zurückschraubt, macht Trump selbst es den Autokraten leicht, sich ihrem Traum von einer nicht mehr westzentrierten Weltordnung zu nähern.

Xi, der im Gegensatz zu seinem US-Gegenpart ein weitblickender Stratege ist, nutzt das aus. Mit seinem mehrtägigen Gipfel-Spektakel hat er (und mit ihm sein wild gewordener Fiffi Putin) bildgewaltig den Anspruch formuliert, künftig ein ebenbürtiges Gegengewicht zur alten Ordnung und vor allem zur Nato zu sein. Das ist ernst zu nehmen, auch weil der Chinese dabei nicht wirklich an friedliche Koexistenz mehrerer Machtpole denkt. Aber der Hinweis sei erlaubt: Die Pekinger Selbstbeschwörung hat ihre Schwachstellen.

Im Kern wird dieses Bündnis nicht durch eine gemeinsame Idee (geschweige denn gemeinsame Werte) zusammengehalten, sondern durch die Gegnerschaft zu den USA, die man gegenwärtig (nicht ganz zu Unrecht) glaubt, an der Nase herumführen zu können. Jenseits davon trennt die Teilnehmer des „SCO“-Gipfels vieles. Das gilt auch für Narendra Modi, dessen Kommen als Beleg dafür gewertet wurde, dass Indien jetzt fest im Lager Pekings sitze. In Wahrheit pendelt Neu-Delhi immer wieder zwischen Ost und West – je nachdem, was den eigenen Ambitionen nützt. Putin-Handgetätschel hin oder her.

Entscheidend ist, wie der so oft abgeschriebene Westen reagiert, ganz besonders: die Trump-Regierung. Die Lehren der vergangenen Tage liegen ja auf der Hand. Erstens: Putin lässt sich nicht bezirzen, schon gar nicht lässt er sich aus der Partnerschaft mit Xi lösen. Zweitens: Statt den wichtigen Akteur Indien mit Zöllen in die falschen Arme zu treiben, wäre es hilfreicher, ihm Zusammenarbeit anzubieten. Für Europa ergibt sich drittens die Chance, Trump an die alten Freunde in Berlin oder Brüssel zu erinnern. Je zerklüfteter der Westen, desto näher ist Xi seinem Weltführungs-Anspruch. MARCUS.MAECKLER@OVB.NET

Artikel 11 von 11