Zeichen von Stärke: Soldaten marschieren bei der Militärparade am Tiananmen-Platz auf. © AFP
München – Es war eine Demonstration von militärischer Stärke, wie sie selbst in China nur selten zu sehen ist: Bei einer riesigen Parade anlässlich des 80. Jahrestags des Sieges über Japan im Zweiten Weltkrieg ließ die chinesische Regierung am Mittwoch am Platz des Himmlischen Friedens in Peking neue Waffen auffahren. Tausende Soldaten marschierten im Gleichschritt durch das Zentrum der Hauptstadt.
„Heute muss sich die Menschheit erneut zwischen Frieden und Krieg entscheiden“, sagte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Der oberste Befehlshaber der chinesischen Volksbefreiungsarmee (VBA) forderte die Streitkräfte auf, „den Aufbau eines Militärs auf Weltklasseniveau zu beschleunigen“. Mit etwas über zwei Millionen aktiven Soldaten ist die VBA schon heute die größte Armee der Welt.
„Chinas Aufrüstung hat in den letzten zehn, 15 Jahren wesentlich schnellere Fortschritte erzielt, als die meisten Beobachter für möglich gehalten hätten“, sagte Sarah Kirchberger, Direktorin des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, unserer Zeitung. „Ziele werden schneller erreicht als geplant, was in den meisten anderen Ländern, auch in den USA, seltenst vorkommt, eher im Gegenteil. Die USA betrachten Chinas Militär inzwischen als ‚peer competitor‘, also eine gleichrangige Herausforderung“, so die Militärexpertin.
In den vergangenen 20 Jahren hat China seine Militärausgaben versiebenfacht, in diesem Jahr liegt das Verteidigungsbudget offiziell bei 247 Milliarden US-Dollar. Verschiedene Schätzungen ausländischer Experten gehen von noch deutlich höheren Summen aus. 2012 betrugen Chinas Verteidigungsausgaben etwa ein Sechstel des Militärbudgets der Vereinigten Staaten, bis 2024 war dieser Anteil auf ein Drittel gestiegen. Nimmt man die Bevölkerungszahl zum Maßstab, geben die USA allerdings etwa zwölfmal so viel für ihre Streitkräfte aus wie China.
Dennoch ist die Volksrepublik nicht nur bei der Zahl ihrer aktiven Soldatinnen und Soldaten weltweit führend. Besonders deutlich zeigt sich Chinas zunehmende Dominanz bei der Marine. 2023 besaß China laut der US-Denkfabrik CSIS 332 Kriegsschiffe, die USA hingegen nur 291. Bis 2030, so die CSIS-Experten, könnte China über fast 50 Prozent mehr Kriegsschiffe verfügen als die US Navy. Bei der Militärparade am Mittwoch zogen Laster unter anderem Unterwasser-Drohnen durch die Straßen von Peking, laut Experten könnte China diese torpedoförmigen Kolosse als Tarnkappen-U-Boote einsetzen. Auch bei der Zahl der Kampfflugzeuge liegt China mit etwa 3200 Jets vor den USA, die gut 2700 Kampfjets besitzen.
Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri verfügt China über etwa 600 Atombomben, das US-Verteidigungsministerium schätzt, dass es 2035 schon 1500 Sprengköpfe sein könnten. Zum Vergleich: Russland besitzt laut Sipri derzeit 4309 nukleare Sprengköpfe, die USA 3700.
An Abrüstungsgesprächen, wie sie Donald Trump ins Spiel gebracht hat, will China nicht teilnehmen. „China hat mehrfach deutlich gemacht, dass es sich nicht an Abkommen zur Reduzierung von Atomsprengköpfen beteiligen wird, solange die Arsenale der USA und Russlands soviel größer sind“, sagt Expertin Kirchberger. Außerdem habe Peking „aus den Erfolgen der russischen nuklearen Erpressung gelernt, bei der Russland erfolgreich die Drohkulisse einer nuklearen Eskalation eingesetzt hat, um westliche Staaten von entschlossenerer Unterstützung der Ukraine abzuhalten.“
Nur ein Problem seiner Streitkräfte scheint China nicht in Griff zu bekommen: massive Korruption. Allein 2023 wurden zwei chinesische Verteidigungsminister wegen Bestechlichkeit entlassen, auch in den Raketenstreitkräften, denen das Atomarsenal untersteht, wurden mehrere hohe Generäle aus ihren Ämtern entfernt. Kirchberger sagt: „Die aktuelle Säuberungswelle im chinesischen Militär unter Xi Jinping ist für die Reformära – also seit 1978 – beispiellos.“