Allein unter Männern: SPD-Chefin Bärbel Bas gibt ihr Debüt im Koalitionsausschuss mit (v.li) Markus Söder (CSU), Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD). © IMAGO
München – Auf den Mund gefallen ist Bärbel Bas nicht, bei niemandem. „Herr Bundeskanzler, wenn Sie mich beim nächsten Mal als sitzungsleitende Präsidentin auch begrüßen, wäre ich sehr dankbar“, schmettert sie einst ihrem Parteikollegen Olaf Scholz entgegen. „Unbedingt“, pflichtet der nur kleinlaut bei. Applaus. Das war Anfang 2023, als die SPD-Politikerin noch Bundestagspräsidentin war. Als Bas noch für Ordnung im Plenum sorgte, direkt und geradlinig.
Sie schreckt nicht davor zurück, auch andere Parteikollegen wie Boris Pistorius zu rügen: „Ich bitte wirklich darum, die ein oder andere Kommentierung einfach mal runterzuschlucken.“ Kritik von rechts, etwa von AfD-Chefin Weidel, ließ sie in diesem Amt auch mal ironisch abperlen.
Doch das war während ihrer Zeit als Bundestagspräsidentin. Überparteilich und verbindend. Jetzt hat die 57-Jährige eine andere Position, und die ist praktisch eine Doppelrolle: Bundesministerin für Arbeit und Soziales und SPD-Chefin. Jetzt schlägt Bas einen anderen Ton an, lässt sich zu rauen Provokationen verleiten – wie zuletzt bei ihrer „Bullshit“-Aussage über Kanzler Friedrich Merz‘ Sozialstaat-Basta.
Zwar sagt Merz selbst, diese Aussage solle nicht auf die Goldwaage gelegt werden, schließlich sprach Bas vor den deutlich linkeren Jusos, aber das deutschlandweite Echo war trotzdem enorm. Auf einmal tauchte die SPD-Chefin auf der politischen Bildfläche auf – pünktlich zu ihrem ersten Koalitionsausschuss mit den Männern von CDU und CSU.
Bei der Pressekonferenz am Mittwochabend gibt sie sich kompromissbereit, beteuert ganz auf Merz-Linie die Relevanz der Wirtschaft. „Es ist sehr wichtig, dass wir den Arbeitsmarkt jetzt stabilisieren“, sagt sie und beschwört, dass die Wirtschaft anziehen muss. Sie ergreift als Erste für die SPD das Wort, während ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil an diesem Abend fast nur als Bundesfinanzminister auftritt. Bei den schwarz-roten Beratungen dürfte es vor allem Bas in die Karten spielen, dass sie anders als ihre Vorgängerin Saskia Esken auch Bundesministerin ist. Damit kann sie noch einmal anders Druck ausüben. Ihr Ass im Ärmel: Als Sozialministerin verwaltet sie mit 197,4 Milliarden Euro den größten Einzeletat im Haushalt 2026.
Bas ist vielleicht die erste Arbeitsministerin, die wirklich weiß, wie es sich ganz unten in der Arbeitswelt anfühlt. Wie es ist, von Bürgergeld zu leben oder in der Stahlindustrie zu arbeiten. Geboren im Pott, als eines von sechs Kindern eines Busfahrers und einer Hausfrau. Sie besuchte die Hauptschule in Voerde, lernte an der Berufsfachschule für Technik in Dinslaken das Schweißen. Später, nach 80 Bewerbungen und Absagen, wurde sie Bürogehilfin bei einer Krankenkasse, arbeitete sich nach oben bis zur Abteilungsleiterin und sogar in den Aufsichtsrat. „Ab und zu muss ich mich mal kneifen“, sagte sie 2023 im WDR. Da war sie schon Präsidentin des Bundestags.
Fünfmal ist Bas in Duisburg direkt ins Parlament gewählt worden, zuletzt mit 39 Prozent – ein Wert, von dem ihre SPD sonst nur träumen kann. Die Leute mögen ihre ehrliche Art. „Von mir bekommen die Leute Antworten“, hat Bas mal gesagt. „Hauptsatz, Nebensatz, fertig.“ Die „Bullshit“-Rede, die jüngst bundesweit für Debatten sorgte, dürfte in Duisburg niemanden überrascht haben. Bas hat im Pott in ihrer Jugend auch Fußball gespielt, erst Linksaußen, später Libero. Zu einer Zeit, als Frauenfußball vielen noch als Kuriosum galt. Eine ihrer Kolleginnen war die spätere Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg. „Sie hat die direkte und klare Art, die man auf dem Fußballplatz auch gelegentlich braucht“, sagt die alte Freundin über Bas.
Dass Bas jetzt lautstark das SPD-Zepter übernimmt, ist praktisch auch ein Signal an die Basis: Der linke Parteiflügel darf noch immer mitreden. Spannend wird es, wenn sie bald ihre Reformvorschläge fürs Bürgergeld vorlegt. Da steht sie in der Pflicht. Beim Kanzler, aber auch in der Partei, die sie im Juni mit 95 Prozent zur Vorsitzenden wählte – Klingbeil bekam nur 65. Manch einer munkelt schon, Bas könnte die nächste Kanzlerkandidatin der SPD werden.