Für manche, auch für manche Medien, schien der wichtigste Fortschritt des Koalitionsausschusses darin zu bestehen, dass Merz und Bas nun Friedrich und Bärbel zueinander sagen. Schön! Doch keiner weiß besser als Markus Söder, dass man auch mit Duzfreunden wie dem Horst (Seehofer), der Ilse (Aigner) oder dem Manfred (Weber) im Dauerclinch liegen kann. Insofern sollte man auf diese Oberflächlichkeiten nicht allzu viel geben. Im Gegenteil: Es verwundert schon sehr, dass Union und SPD nach endlosem Ampel-Gezeter erst jetzt zur Erkenntnis gelangen, mehr miteinander statt übereinander zu reden. Das Land ist den politischen Zickenkrieg wirklich leid. 75 Prozent hadern schon mit der neuen Regierung. Hier schrillt eine Alarmglocke für die Landtagswahlen 2026. Die 39-Prozent-Umfrage für die AfD in Sachsen-Anhalt kommt nicht von ungefähr!
Die Regierung muss raus aus den Befindlichkeiten und rein in die Entscheidungen. Bislang sind alle Pakete und Booster eher verpufft. Die Wirtschaft kriselt, drei Millionen Arbeitslose in Zeiten des Fachkräftemangels sind Ausdruck struktureller Probleme. Richtigerweise blickt die Regierung mit Auto- und Stahlgipfeln auf die großen Branchen. Doch zur Wahrheit gehört: Hier geht es um Krisenbewältigung der alten Giganten, für die Zukunft müsste es andere Ansätze geben: Wo bleibt die KI-Offensive und die freie Bahn für Start-ups? Was ist mit der Erwachsenen-Bildung für die sich rasant wandelnde Arbeitswelt? Ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor werden die Rüstungsaufträge sein, die der Staat hoffentlich nach Deutschland vergibt.
Die heikelsten Fragen aber wurden bislang nur hinter verschlossenen Türen diskutiert. Klar, im Bürgergeld liegt viel Symbolkraft, aber auch ein Einsparpotenzial von fünf Milliarden wird den Haushalt nicht sanieren. Die Kostentreiber, die den Staat zunehmend lähmen, sind Rente, Pflege und die Krankenversicherung. Und niemand sollte glauben, dass ein bisschen Digitalisierung hier die Probleme löst. Nein, Reformen meinen oft Einschnitte: weniger Leistungen für Versicherte, weniger Pfründe für Leistungserbringer und womöglich längeres Arbeiten für alle. Die Betroffenen werden schimpfen, die Lobbygruppen lärmen. Reformen ja, aber doch nicht bei mir! Man muss bezweifeln, dass die neue Harmonie der Regierung stark genug sein wird, solche Widerstände auszuhalten.