Seite an Seite zeigten sich die beiden Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (links) und Markus Söder. Der CSU-Chef machte Wahlkampf im Münsterland. © Fabian Strauch/dpa
Bocholt – Ausgerechnet Markus Söder! Mit dem bayerischen Ministerpräsidenten machte am Donnerstag just der Mann Wahlkampf für die CDU in Nordrhein-Westfalen, der den NRW-Politiker Armin Laschet vor vier Jahren auf dem Weg ins Kanzleramt ausgebremst hatte. Bemerkenswert: Söder trat an der Seite von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst in dessen Heimat, dem Münsterland, auf. Dabei sieht Söder Wüst als großen Konkurrenten ums Kanzleramt für die Zeit nach Friedrich Merz an. Doch am 14. September sind Kommunalwahlen in NRW. Da geht man in der Union freundlich miteinander um. Selbst Söder mittlerweile, oder?
Auf jeden Fall zieht der Mann aus Bayern die Massen auch im Westen der Republik an. Die Veranstaltung mit – natürlich –Blasmusik fand in der großen Halle eines Logistikers in einem Gewerbegebiet von Bocholt statt. Hunderte kamen. Nachmittags an einem Wochentag.
Wüst sparte nicht mit Lob für den Gast. Söder sei ein Überzeugungstäter, mache Politik für die bodenständigen Menschen. „Dass Du so bist, wie Du bist, ist gut und eine Stärke der Union.“ Viel Applaus gab es für Wüsts Bekenntnis zum Industriestandort und für mehr Investitionen in Bildung. Fehlen durfte auch das nicht: Bayern und NRW seien nicht nur die beiden größten, sondern auch die wirtschaftsstärksten Bundesländer. Der Rest war Kommunalwahlkampf.
Söder bedankte sich für die lobenden Worte. „Sie waren richtig“, sagte er. Die Schmeicheleien gab er zurück: „Wenn es Bayern und NRW nicht gäbe, wäre Deutschland um die Hälfte ärmer.“ Wüst sei ein starker Ministerpräsident. Söder fuhr auch Lacher ein. Beispiel: Alle wichtigen Personen der Union in Berlin seien aus NRW – bis auf einen. Bei Söder stinkt Selbstlob nicht, sondern wird mit Beifall belohnt. Beifall gab es auch fürs Schimpfen auf den EU-Plastikdeckel, der nicht abgeht. „Beeindrucken wir damit Putin?“ Söder stellt die richtigen Fragen, um eine Halle zu unterhalten.
Trotz der Begeisterung in Bocholt: In NRW haben sie Söders Querschüsse gegen den früheren Ministerpräsidenten Laschet im Bundestagswahlkampf 2021 nicht vergessen. Und geliebt wird der Mann aus Bayern bis heute nicht, zumindest auf der Ebene der Parteifunktionäre. So bescheinigte im Frühjah Dennis Radtke, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands und Europaabgeordneter aus dem Ruhrgebiet, Söder ein Talent, aus jedem Misthaufen einen Luftkurort zu machen. Radtke warf Söder vor, „Politik als reines Event, inklusive Infantilisierung und Banalisierung“ zu inszenieren.
Sprach man Christdemokraten an Rhein und Ruhr auf Söders Auftritt im Münsterland an, war die erste Reaktion: „Was isst er denn?“ Söders „fetischhafte Wurstgefresse“ – wie es Robert Habeck böse, aber nicht ganz falsch nannte – wird also auch bei Vertretern der Schwesterpartei wahrgenommen. Und das – siehe Radtke – nicht nur positiv. Okay, Hendrik Wüst geht für ein gutes Bild auch nicht an einer Currywurst-Bude vorbei. Die SPD in NRW taufte den 50-jährigen Ministerpräsidenten wegen seiner schönen Bilder in den sozialen Medien „Insta-Präsident“. Aber so obsessiv wie Söder bei der Bespielung sozialer Medien ist Wüst nicht.
Wüst und Söder kennen sich schon sehr lange, beide führten die Nachwuchsverbände ihrer Parteien. Beide bezeichnen sich öffentlich in ihren Reden als Freunde. Vor zwei Jahren unterstützte Wüst Söder im Landtagswahlkampf, nun erfolgte die Gegeneinladung. Doch das Verhältnis der Spitzenpolitiker ist nicht unbelastet. Vor der Bundestagswahl sprach sich Wüst für Merz als Kanzlerkandidat der Union aus. Das und die Tatsache, dass Wüst sich selbst als möglicher Kandidat im Spiel hielt, kam bei Söder nicht gut an. Dennoch reiste er für Wüst bis Bocholt. Mit gut 70 000 Einwohnern ist sie die größte Stadt des Kreises Borken. Bocholt liegt nahe der deutsch-niederländischen Grenze, viel weiter von Bayern kann man also in NRW nicht weg sein.