Auf TikTok ein Star: Ulrich Siegmund will der erste AfD-Ministerpräsident werden. Er strebt in Sachsen-Anhalt eine Alleinregierung an. © Gabbert/dpa
München – Ulrich Siegmund strahlt in die Kamera. „Guten Morgen, Deutschland! Es ist kurz nach sechs Uhr, aber diese gute Nachricht möchte ich euch nicht vorenthalten“, sagt der 34-Jährige mit dem zurückgegelten Haar und dem blauen Polohemd. Der Grund für seine gute Laune: eine Umfrage von Infratest dimap. Demnach liegt die AfD ein Jahr vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt bei 39 Prozent – und ist damit, mit Siegmund als Spitzenkandidat, eindeutig die stärkste Kraft.
Der studierte Wirtschaftspsychologe gilt als Rising Star der AfD. Mehr als 560 000 Menschen folgen dem Politiker auf der Plattform Tiktok. Seine Popularität in den Sozialen Netzwerken will er nun nutzen, um am 8. September 2026 zum ersten AfD-Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Siegmunds Ziel ist eine AfD-Alleinregierung in Magdeburg. Interesse an Koalitionen hat er nicht. Alle anderen Parteien hätten das Land „gegen die Wand gefahren“, behauptet er.
Nach Einschätzung des Politologen Benjamin Höhne von der TU Chemnitz ist das Szenario einer AfD-Alleinregierung in Sachsen-Anhalt nicht unmöglich. Denn je nachdem, wie viele kleinere Parteien an der Fünfprozenthürde scheitern, reichen auch weniger als 50 Prozent der Wählerstimmen für eine absolute Mandatsmehrheit aus. Selbstverständlich freue sich die AfD über das Umfragehoch, so Höhne. Aber: „Umfragen sind auch sehr flüchtig. Bis zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt in einem Jahr fließt noch viel Wasser die Elbe hinauf, das heißt, die nicht-populistischen Parteien haben noch Chancen, die Stimmungslage positiv zu beeinflussen“, ordnet der Politikwissenschaftler das Ergebnis gegenüber unserer Zeitung ein.
Für die in Magdeburg regierende CDU ist das Umfrageergebnis dennoch ein Paukenschlag. „Diese Zahlen können keinem gefallen“, sagt der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Sven Schulze, im Interview mit „Welt TV“. Die derzeitige Koalition aus CDU (27 Prozent), SPD (7) und FDP (unter 3) hätte demnach keine Mehrheit mehr. Rein rechnerisch gäbe es für die CDU keine Regierungsmehrheit ohne AfD oder Linkspartei (13).
Noch droht die Brandmauer in Sachsen-Anhalt aber nicht zu bröckeln. Schulze lehnt Diskussionen über den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU ab. Ein Jahr vor der Landtagswahl gehe es nicht um Koalitionen, sondern darum, die Erwartungen der Wähler zu erfüllen.
Sachsen-Anhalt ist nicht das einzige Bundesland, das 2026 ein neues Parlament wählt. Eröffnet wird das Wahljahr am 8. März in Baden-Württemberg. Winfried Kretschmann (Grüne), seit 2011 Ministerpräsident im „Ländle“, tritt nicht mehr an. Die beste Chance auf seine Nachfolge hat derzeit CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel. Seine Partei liegt mit 31 Prozent vor den schwächelnden Grünen um Spitzenkandidat Cem Özdemir (20 Prozent). Die aufstrebende AfD landet in der neuesten Umfrage von Infratest dimap zwar auf Platz drei (19 Prozent), hinkt den Erfolgen der Bundes-AfD damit jedoch deutlich hinterher.
Weiter geht der Wahlmarathon am 22. März 2026 in Rheinland-Pfalz. Auch hier kann die AfD Zugewinne verzeichnen und liegt aktuellen Umfragen zufolge auf dem dritten Platz (17 Prozent). Selbst im eher linken Berlin, das am 20. September 2026 ein neues Abgeordnetenhaus wählt, legen die Rechtspopulisten zu. Trotzdem landet die AfD mit 13 Prozent derzeit nur auf Platz fünf.
Am selben Tag wie Berlin wählt auch Mecklenburg-Vorpommern. Die AfD liegt dort laut der letzten Insa-Umfrage mit 29 Prozent deutlich vorn. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), die in Schwerin eine Koalition aus SPD und Linken führt, gibt sich dennoch optimistisch, im Amt zu bleiben. Als mögliches Modell kommt Medienberichten zufolge eine Regierung aus SPD (21 Prozent) und CDU (17) infrage, wofür die aktuellen Werte jedoch nicht ausreichen.
Wird also kommendes Jahr der erste AfD-Ministerpräsident gewählt? „Die Gefahr ist da“, sagt Experte Höhne. Er halte es aber für nicht sehr wahrscheinlich. Dennoch warnt er: „Es braucht nun ein breites Bündnis aller demokratischen Kräfte.“