KOMMENTARE

Frankreichs Krise schwächt Europa

von Redaktion

Bayrou vor dem Sturz

Sarkastisch könnte man sagen: François Bayrou hat sich überraschend lange als Premier gehalten. Mitte Dezember 2024 übernahm er von Michel Barnier, der nur gut drei Monate regierte. Nur: Witzig ist das Ganze nicht. Sollte Bayrou am Montag im Parlament gestürzt werden (wonach es stark aussieht), müsste sich Präsident Macron den vierten Premier in nicht mal zwei Jahren suchen – oder Neuwahlen ansetzen.

Frankreich steht vor einem neuen tragischen Höhepunkt jener politischen Krise, die das Land in gefährlicher Weise lähmt. Die enorme Staatsverschuldung verlangt nach Milliarden-Einsparungen, nach Reformen des Sozialstaats und der Bürokratie. Alle wissen das, doch fehlender Mut und machttaktische Spielchen der drei mehr oder weniger zementierten politischen Blöcke würgen jeden Schritt in die richtige Richtung ab. Vermutlich würde nicht mal der offen diskutierte Rücktritt Macrons daran etwas ändern. Frankreich wirkt dieser Tage geradezu unregierbar.

Das ist nicht nur für das Land selbst dramatisch, sondern potenziell auch gefährlich für Europa. Einerseits, weil die französische Schuldenkrise in zunehmendem Maße die Euro-Stabilität bedroht. Andererseits, weil Frankreich in dieser Zeit sich stapelnder globaler Krisen als europäische Führungsnation gebraucht wird. Die außenpolitische Gestaltungsmacht des Präsidenten ist zwar nicht geschmälert, aber was nutzen schillernde Gipfel, wenn ihm seine Nation von innen verwelkt? Heute ist Frankreich der kranke Mann Europas – leider chronisch, ohne erkennbare Aussicht auf Besserung.

Nachdem sich Deutschland erst unter Merkel, dann unter Scholz jahrelang gesträubt hatte, mit dem Nachbarn ein starkes europäisches Führungsduo zu bilden, hinkt jenes Duo nun also auf dem anderen Bein. Erschwerend hinzu kommt allerdings, dass auch Berlin in einer Sozialstaatsdebatte festhängt und Reformen verschleppt. So wird das nichts mit der europäischen Selbstbehauptung.

Macron müsste nach Montag ein Wunder gelingen, um die französische Blockade zu lösen. Nur dazu fehlt ihm die Kraft.