WIE ICH ES SEHE

Wenn kein Flügel dich vom Boden hebt

von Redaktion

Den Traum vom Fliegen erlebt ein sportlicher Drachenflieger eher als die Passagiere in einem Jumbo-Jet. Besonders stolz konnten wir Deutschen aber gleichwohl immer auf unsere Lufthansa sein. Ihr Ruf im Punkte Sicherheit, perfekter deutscher Ingenieurskunst und gekonntem Service durch freundliches Kabinenpersonal war weltweit führend.

Zwei Nordatlantik-Reisen aber haben mir in den letzten zwölf Monaten gezeigt, dass es mit der deutschen Perfektion bei der Lufthansa nicht mehr allzu viel auf sich hat. Auf der ersten Reise war mein Sitz technisch defekt. Kann ja passieren, aber nach einer Woche auf dem Rückflug war es der Nachbarsitz, der nicht zu benutzen war. Dafür war auf meinem Sitz das Fluginformationssystem gestört, mit dem ich gerne den Flugverlauf verfolge.

Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich. Auf der zweiten Reise nämlich funktionierte auf meinem Sitz beim Hin- wie Rückflug der ganze Bildschirm nicht. Eigentlich ja auch nicht schlimm, dass niemand vom Kabinenpersonal ihn in Gang setzen konnte. Aber ein Beweis für die deutsche Spitzen-Ingenieurskunst war das eben nicht.

Im Fach lagen das obligatorische Flugbegleiter-Infoblatt und der Katalog für den Bordeinkauf. Diese beiden Hefte aber waren so zerfleddert, dass man sie nicht anfassen mochte. Gut, Lufthansa-Chef Carsten Spohr kann sich nicht um jeden Sitz kümmern in seinem Milliarden-Unternehmen. Aber die einst so gepriesene Servicementalität scheint doch zu schwächeln. Natürlich gibt es noch zuvorkommende Bedienungen auf den Flügen, aber es gibt auch sogenannte „Purser“, die nichts zu tun haben, außer aufgesetzt freundlich bestimmte Vielflieger-Gäste zu begrüßen. Im Service sieht man sie die ganze Zeit nicht. Erst vor der Landung bedanken sie sich, dass man Gast war, obwohl sie zum Wohlbefinden der Gäste nichts beigetragen haben. Die Lufthansa muss sie wohl beschäftigen, weil in diesem total mitbestimmten Unternehmen auf allen Ebenen nichts geändert werden kann, was einmal sinnvoll gewesen sein mag, aber eben nicht mehr passt.

Da muss Carsten Spohr schon froh sein, dass seine Flugzeuge überhaupt noch fliegen, denn schon wieder will die mächtige Piloten-Gewerkschaft zum Streik aufrufen. Ihr geht es um die Pensionsverpflichtungen. Sie sind einschließlich der Frühpensionen so hoch, dass sie der Lufthansa wie Mühlsteine um den Hals hängen. Der Konzern dürfte deswegen unterfinanziert sein. In der Not hat die Lufthansa diese nicht mehr tragbaren Verpflichtungen in ein kapitalmarktfinanziertes Modell nach angelsächsischem Vorbild überführt. Damit garantiert sie nur noch die Arbeitgeberbeiträge, aber nicht mehr die Höhe der Auszahlungen. So machen es weltweit große Fluglinien, mit denen die Lufthansa im Wettbewerb steht. Die Pilotengewerkschaft aber will nicht dulden, dass das Zinsrisiko auf die Piloten abgewälzt wird, weil der Konzern (aber nicht die Kernmarke) noch schwarze Zahlen schreibt. Hoffentlich wird aus der streikfreudigen Kranich-Linie nicht bald ein Pleite-Kranich.

Dann heben in Deutschland nur noch die Drachenflieger ab.

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