KOMMENTAR

SPD-Chef Klingbeil will mehr Schröder wagen

von Redaktion

Richtungskampf bei den Genossen

Die SPD ist Deutschlands stolzeste Partei – und die dümmste: Seit 20 Jahren entschuldigt sie sich unentwegt für ihre größte Tat dieses Jahrhunderts. Unter Schröder und Müntefering erfanden die Genossen 2003 die Agenda 2010, die den kranken Mann Europas gesunden ließ und drei Millionen Arbeitslose zurück ins Erwerbsleben brachte. Das war lange, bevor Schröder sich zum Handlanger des Verbrechers Putin machte. Doch der linke SPD-Flügel diffamiert die Großreform seither als Teufelswerk – und alle Parteichefs nach Gerhard Schröder wie Gabriel, Nahles oder Esken kuschten. Lieber redet man über die Notwendigkeit immer höherer Steuern als darüber, dass der Sozialstaat keine Melkkuh ist, an der sich In- und Ausländer nach Gusto bedienen können, und dass das Bürgergeld kein bedingungsloses Grundeinkommen ist, sondern den Willen zur Arbeitsaufnahme voraussetzt.

Genau dieses Denken – und Jahre der Stagnation und Rezession – haben das Land an den Rand des Abgrunds geführt. Der empörte Ausruf der SPD-Co-Chefin Bärbel Bas, „Deutschland ist ein reiches Land“, ein Rückbau des Sozialstaats unnötig, zeigt, wie sehr die Linke in ihrer Wohlstandsillusion gefangen ist. „Bullshit“-Bas streut den Menschen Sand in die Augen: Nimmt man die drückenden Pensionskosten und Zukunftslasten, die durch Umlageverfahren und kippende Demografie bei der Rente entstehen, hinzu, dann lasten auf Deutschland schon heute mehr Schulden als auf dem armen Griechenland. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Finanzmärkte nach Frankreich auch ein reformunfähiges Deutschland ins Visier ihrer Attacken nehmen.

Große Beachtung verdient daher die Verbeugung, die Lars Klingbeil jetzt vor dem verfemten Altkanzler machte. Schröder habe „mutige Reformen angepackt“, so Klingbeil. Der Ex-Kanzler, wie Klingbeil aus der mächtigen SPD-Niedersachsen-Connection kommend, revanchierte sich mit einem Lob für dessen Reformpläne: „Ich finde das mutig von Lars Klingbeil.“ Noch ist nicht klar, ob sich der SPD-Co-Chef mit seinem Ziel durchsetzt, die SPD wieder zur Partei der arbeitenden Mitte zu machen. Doch ist dies ihre letzte Chance. Ihre zu stark auf Stützebezieher ausgerichtete Politik hat Arbeitern das Gefühl gegeben, es gehe nicht mehr gerecht zu im Land. Die nächste Quittung dafür gibt es bei den Kommunalwahlen in NRW. Rote Bastionen an der Ruhr könnten an die AfD fallen.

Doch geht es längst nicht mehr nur um die SPD und ihre Befindlichkeiten. In Gefahr geraten ist durch einen Mix aus Reformverweigerung, Ukraine-Krieg und Trump-Zöllen das ganze Land. Schafft die schwarz-rote Regierung wieder nur einen Herbst der Reförmchen, einigt sich die Mitte nicht auf einen Plan gegen das wachsende Arbeitslosenheer, dann wanken nicht nur Kanzler und Koalition. Dann wird es spätestens nach der Wahl in Sachsen-Anhalt, wo die AfD an der 40-%-Schallmauer steht, in der Union Versuche geben, Formen der Zusammenarbeit mit den Rechtsradikalen auszuloten, statt sich weiter von SPD, Grünen und Linkspartei vorführen zu lassen. Dann treibt Deutschland, die stabile Mitte Europas, ins Ungewisse. Verhindern kann das nur noch die SPD. Wenn sie jetzt den Mut findet, wieder mehr Schröder zu wagen.