Manche Apps machen quasi süchtig. © Imagebroker/epd
Berlin – Immer wieder sind die negativen Seiten des Internets im Fokus. Der Kinder- und Jugendpsychiater Nico Charlier fordert nun mehr Regeln für das Nutzen von digitalen Inhalten. „Natürlich müsste es Altersgrenzen geben“, sagte er am Mittwoch bei einer Online-Diskussion des OECD Berlin Centre zum Thema „Zwischen Apps und Alltag – Aufwachsen in einer digitalen Welt“. Zudem empfiehlt er Eltern, ihren Kindern „so spät wie möglich“ ein eigenes Smartphone zu erlauben.
Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) hatte zuletzt 18 Mitglieder für die „Expertenkommission Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt“ berufen, unter anderem aus den Bereichen Bildungsforschung, Kinder- und Jugendmedizin, Medienrecht und Medienpädagogik. Die neue Fachkommission soll im nächsten Jahr Vorschläge liefern, damit sich Kinder und Jugendliche möglichst sicher in der digitalen Welt bewegen können.
Charlier, der eine Praxis für Kinder und Jugendliche in Berlin betreibt, sieht einen „massiven Anstieg an psychiatrischen Erkrankungen“. Die Folgen reichten von Konzentrationsproblemen über Konflikte mit den Eltern bis zu Erfahrungen mit Gewalt oder Pornografie im Netz. „Kinder brauchen reale Beziehungen und analoge Erfahrungen, um sich gut zu entwickeln“, betonte der Jugendpychiater.
Auch der Abteilungsleiter für Schulentwicklung in Schleswig-Holstein, Alexander Kraft, wünscht sich mehr Einsatz von der Politik. „Wir brauchen klare Regelungen“, sagte er. Er gab zu bedenken, dass nicht alle Probleme in der Schule gelöst werden können. Allein mit Nutzungsverboten von Handys und Medienkompetenz im Unterricht sei es nicht getan.
Digitale Technologien pauschal abzulehnen, sei jedoch nicht der richtige Weg, sagt Katharina Scheiter, Professorin für Digitale Bildung an der Universität Potsdam. Wer digitale Geräte im Unterricht sinnvoll nutze und einsetze, könne davon auch profitieren. „Wichtig ist immer die gezielte Nutzung. Die muss angeleitet sein“, betonte sie.
Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stephan Düll, sprach sich gegen reine Verbote aus. „Die Welle läuft – und jetzt kommt es darauf an, sie zu reiten“, sagte er. Verbote würden von Schülern ohnehin umgangen. Düll plädierte für gezielte Medienbildung an Schulen. Zudem müsse man versuchen, das Bewusstsein für die Problematik bei den Eltern zu schaffen. Auch heute hätten Eltern schon das Recht, „ihrem Kind kein Handy oder Tablet zu kaufen“.
Dem stimmt auch Verena Holler, selbst Mutter und Sprecherin des Vereins „Smarter Start ab 14“ zu. Es gebe aber auch Apps, deren Geschäftsmodell auf die maximale Aufmerksamkeit und Nutzungszeit ausgerichtet sei. Diese bezeichnete sie als „digitalen Zucker“, der Kinder und Jugendliche süchtig mache.