Als Ukraine-Botschafter hat Martin Jäger (li.) auch Kanzler Friedrich Merz empfangen – jetzt arbeitet er für ihn in Berlin als BND-Chef. © Kappeler/dpa
Berlin – In der deutschen Hauptstadt kennt man ihn unter dem Namen „The Brain“ – das Hirn. Bei seinem Lebenslauf ist das kein Wunder: Studium in München, Redenschreiber im Auswärtigen Amt in Bonn, Referent im Kanzleramt in Berlin, Prag, Kabul, Bagdad, zuletzt Botschafter in Kiew.
Jetzt tritt Martin Jäger an die Spitze des Bundesnachrichtendiensts (BND), dem deutschen Auslandsgeheimdienst. Die Behörde sammelt außen- und sicherheitspolitische Informationen, wertet sie aus und stellt sie der Bundesregierung zur Verfügung. Viel Einarbeitungszeit dürfte Jäger aber nicht haben, die Weltlage lässt es schlicht nicht zu.
Russland sorgt immer wieder mit Störaktionen für Unruhe im Westen, ebenso China. Zudem hat so gut wie jede Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten Auswirkungen auf die deutsche Sicherheitslage. Und wie eng unter US-Präsident Donald Trump die Zusammenarbeit mit den wichtigen US-Diensten sein kann, ist derzeit unklar wie selten. Der Bundesnachrichtendienst sei heute „so wichtig wie nie zuvor“, betont auch Kanzleramtschef Thorsten Frei, der für die Geheimdienste zuständig ist. Die Anforderungen „sind heute höher denn je“.
„Wir wollen, dass der BND nachrichtendienstlich auf dem allerhöchsten Niveau mitspielt“, sagt Kanzler Friedrich Merz und verspricht einen gut aufgestellten Nachrichtendienst. Mit seinen „langjährigen beruflichen Erfahrungen in Krisenländern“ sei Jäger „exzellent“ für den Posten geeignet, so die Regierung vorab.
Und Jäger kennt sich in den Weltregionen aus wie sonst wenige. In Ulm geboren und aufgewachsen, studiert er von 1989 bis 1994 in München Politikwissenschaften und Völkerkunde. In den 1990ern macht er Station im Auswärtigen Amt in Bonn, wo er für Außenminister Klaus Kinkel (FDP) Reden schreibt. Kinkel lobt Jäger da als „hochintelligenten Kerl“. Unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) wird Jäger Referent im Kanzleramt in der neuen Hauptstadt Berlin. Nach einem Zwischenstopp an der Botschaft in Prag nimmt Jäger 2005 den Posten des Chefpressesprechers des neuen Bundesaußenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) ein.
Später ist Jäger als Cheflobbyist für Außenbeziehungen beim Autobauer Daimler tätig, bevor er 2013 wieder in die Politik wechselt und einen Botschafter-Job in der afghanischen Hauptstadt Kabul annimmt. Die Zeit in Afghanistan nennt Jäger mal die „beruflich schönste Zeit“ seiner Karriere.
Nach einem zweijährigen Stopp im Bundesfinanzministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) zieht es ihn 2016 zurück in seine Heimat Baden-Württemberg, wo er Staatssekretär im CDU-geführten Landesinnenministerium wird. Lang hält es ihn aber nicht in seiner alten Heimat: 2018 zog es ihn wieder nach Berlin ins Staatssekretärsamt im damals CSU-geführten Entwicklungsministerium – und drei Jahre später nach dem Wechsel zur Ampel-Regierung wieder raus in die Welt, diesmal nach Bagdad.
So richtig öffentlich in Erscheinung trat der 61-Jährige aber erst durch seinen Posten in Kiew. Den Job übernahm Jäger 2023, ein Jahr nach dem russischen Überfall. Seither begrüßt er in Kiew deutsche Spitzenpolitiker, Kanzler, Minister, Parteichefs bei der Ankunft am Hauptbahnhof. Mit dieser Bandbreite an Erfahrung hat sich Jäger nicht nur einen hohen Stellenwert über Parteigrenzen hinweg erarbeitet, sondern auch einen Ruf als krisenerprobter Diplomat, wie die „FAZ“ schreibt. Das dürfte an der Spitze des BND wichtig sein – die Behörde kämpfte zuletzt mit einem verstaubten Image und war nicht immer bestens informiert.
So wird Jägers BND-Vorgänger Bruno Kahl im Februar 2022 vom russischen Angriff überrascht – ausgerechnet während eines Ukraine-Besuchs. Mit einem Evakuierungskonvoi muss er aus dem Land gebracht werden. Noch dazu verpasst Kahl die erste Evakuierung. Im neuen Job wird es ruhiger zugehen: Kahl wechselt als Botschafter in den Vatikan.
Für Jäger geht es jetzt zwar zurück nach Berlin, Kiew wird er dabei aber wohl nicht aus den Augen lassen.AFP/HUD