Historisches Urteil: Ex-Präsident Bolsonaro plante einen Putsch. © epa
Rio De Janeiro – Erstmals in der Geschichte Brasiliens ist ein Ex-Präsident wegen eines Putschversuchs verurteilt worden. Der Rechtspopulist Jair Messias Bolsonaro, der das Land von 2019 bis 2022 regierte, wurde vom Obersten Gericht mit vier zu eins Stimmen verurteilt, wie auch in vier weiteren Anklagepunkten. Seine Gesamtstrafe summiert sich auf 27 Jahre und drei Monate. Auch sieben Mitangeklagte verurteilte das Gericht.
Wegen des versuchten Staatsstreichs, Bestrebungen zur gewaltsamen Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats, der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Beschädigung von denkmalgeschütztem Erbe und gewaltsam herbeigeführten Schaden an öffentlichem Eigentum drohte ihm zunächst die Maximalstrafe von 43 Jahren. Aufgrund seines Alters – Bolsonaro ist 70 – wurde ihm jedoch ein milderes Urteil zugesprochen. Allerdings muss er eine Geldstrafe von umgerechnet rund 50000 Euro zahlen und darf bis 2060 nicht mehr für öffentliche Ämter kandidieren.
Bolsonaro habe als „Anführer der kriminellen Gruppe öffentlich laut und deutlich klargemacht, dass er niemals eine demokratische Wahlniederlage akzeptieren würde, dass er niemals den Willen des Volkes erfüllen würde“, argumentierte der Vorsitzende Richter Alexandre de Moraes. Nach Bolsonaros Wahlniederlage Ende 2022 sollen die Verschwörer unter Führung des damaligen Präsidenten zudem versucht haben, die Machtübernahme durch den gewählten Linkspolitiker Luiz Inacio Lula da Silva zu verhindern. Dabei soll es sogar einen Plan zur Ermordung von „Lula“, dessen Vize Geraldo Alckmin sowie dem Obersten Richter Moraes gegeben haben. Auch die Unruhen im Regierungsviertel Brasilias im Januar 2023 sollen Teil des Putschplans gewesen sein.
Neben Bolsonaro wurden auch mehrere Ex-Minister, darunter zwei ehemalige Verteidigungsminister, sowie ranghohe Militärs verurteilt. Sie alle hatten ihre Unschuld beteuert. Nur Bolsonaros ehemaliger Adjutant hatte sich schuldig erklärt. Seine Kronzeugenaussage war fundamental für die Verurteilungen. Dafür erhielt er das geringste Strafmaß von zwei Jahren Haft in offenem Vollzug. Die Strafen der restlichen Verurteilten liegen zwischen 16 und 26 Jahren.
Am Mittwoch hatte der Oberste Richter Luiz Fux mit seinem Urteil für Furore gesorgt. Als einziger der fünf Richter der Ersten Kammer hielt er Bolsonaro für unschuldig. Zudem sei das Oberste Gericht nicht zuständig, da Bolsonaro nicht mehr Präsident sei. Vielmehr müsse der Fall an die erste, also unterste Instanz verwiesen werden. Das verwundert auch deshalb, weil Fux zuvor mehr als 400 Bolsonaro-Anhänger wegen der Beteiligung an den Umsturzplänen zu teilweise langen Haftstrafen verurteilt hatte. Entgegen Befürchtungen löste das Urteil keine größeren Proteste von Bolsonaro-Anhängern aus. Allerdings äußern manche Rechtsexperten auch Zweifel und sehen die Beweislage gegen Bolsonaro als zu dünn an. THOMAS MILZ