Prüfungen bestanden: Erwin Huber bekommt sein Zeugnis ausgehändigt. © Anna Futter
„Educated by Jesuits“: Erwin Huber, CSUler und Ex-Minister, hat als Seniorenstudent seinen Horizont erweitert. © mik
Erwin Huber, einst CSU-Vorsitzender, Minister, Staatskanzleichef, erscheint zum Gespräch im Münchner Univiertel mit einer Baseballkappe. „Educated by Jesuits“ steht darauf. Der 79-Jährige hat seinen Abschluss an der von den Jesuiten getragenen Hochschule für Philosophie in der Tasche. Im Gespräch erklärt er mit niederbayerischem Humor, was er alles gelernt hat – und warum er nächste Woche als Gast bei den Landtagsgrünen auftritt.
Herr Huber, wie lautet jetzt Ihr Titel? Philosoph?
Ja, ich beanspruche, dass ich jetzt Philosoph bin (lacht). Schon als Philosophiestudent wird man auf einen ganz anderen Sockel gestellt denn als Politiker. Das war eine neue, positive Erfahrung, auch wenn damit mein großartiges, historisches politisches Werk in den Hintergrund gerät. Im Ernst: Ich war erstaunt, wie viele Menschen mein Studium verfolgt haben.
Hatten Sie Prüfungsangst oder waren Sie vor Referaten nervös?
Also, Referate oder mündliche Beiträge haben mich nicht nervös gemacht. Aber Prüfungsangst habe ich neu kennengelernt. Bei Klausuren, auch bei mündlichen Prüfungen wurde ich zum Teil in die Schülerzeit zurückversetzt. Gott sei Dank habe ich alle bestanden.
Was hat Ihnen das Studium gebracht?
Ich habe die Scheuklappen, die man als Politiker möglicherweise braucht, ablegen können. Die Philosophie verwaltet einen riesigen Topf der Weisheit, daraus habe ich mich ein bisschen nähren können. Menschlich hat mich das sehr bereichert.
Auch der Umgang mit vielen jungen Menschen vermutlich.
Als ich 2018 angefangen habe, war ich noch bekannter, weil ich unmittelbar aus der Politik kam. Ich habe mich bemüht, ganz normal zu sein und mich einzufügen. Nach einer gewissen Zeit des Beäugens ist das auch gelungen. Vor allem in den Seminaren, in denen bloß zehn, zwanzig Studenten zusammensitzen.
Da waren Sie dann „der Erwin“.
Ich habe das nie offensiv angeboten. Aber teilweise ist das Du unter Studenten üblich. Ich habe alles akzeptiert und mich gefreut, weil man von den Jungen als gleichwertig wahrgenommen wird. Ich muss sagen: Mein Jugendbild hat sich sehr zum Positiven verändert.
Der Ruf der Generation Z ist ja gerade in Ihrer Generation nicht besonders gut.
Ich habe viele fleißige, blitzgescheite Menschen kennengelernt. Manche studieren auch an der TU und machen Philosophie als Nebenfach. Da gab es interessante Begegnungen.
Auch mit Klimaaktivisten der „Letzten Generation“.
Ich habe mit einem länger geredet, der sich festgeklebt und Weihnachten in Stadelheim verbracht hat. Präventionshaft. Ich habe ihn gefragt, warum er das macht. Er hat dann erzählt, wie er vom friedlichen Protest von Mahatma Gandhi und Martin Luther King gelesen hat. Das ist kein Staatsfeind. Er wollte etwas tun, um in Sachen Klima wachzurütteln.
Angesichts all dieser Erfahrungen: Würde der Politiker Huber heute Dinge anders machen?
Ja, sonst wär‘s ja für die Katz gewesen. Ich habe mich natürlich verändert, meine Liberalität ist erweitert, Vorurteile sind abgebaut worden. Ich bin ein offenerer Mensch geworden.
Früher waren Sie eher ein konservativer Knochen. Heute sorgen Sie in der CSU für hochgezogene Augenbrauen.
Ich bin auch nicht mehr in der Fron, unmittelbar um Wählerstimmen werben zu müssen. Ich denke eher über die Zukunft der CSU nach. Ich glaube, dass der Klimaschutz neben der Bedrohung unserer Demokratie von Rechts eine zentrale Frage unseres künftigen Lebens ist. Da bin ich an der Hochschule sehr stark in die Frage der ethischen Verantwortung gedrängt worden. Meine fünf Enkel haben eine statistische Lebenserwartung bis ins Jahr 2100 – und ich will, dass die unter menschenwürdigen Bedingungen leben können. Deshalb sage ich, auch wenn derzeit in München die IAA läuft: Wir müssen mehr fürs Klima tun.
Nächste Woche sind Sie bei der Klausur der Grünen zu Gast – planen Sie einen Wechsel?
(lacht) Nein, nein. Da muss keiner Angst haben. Ich bleibe dem christlichen Menschenbild der CSU verbunden. Aber die Demokratie ist in großer Gefahr und deshalb muss es unter demokratischen Parteien eine Gesprächsoffenheit geben.
Auch für Koalitionen?
Ich glaube, dass sich die CSU eine weitere Option offen halten sollte – auch in Bayern. Denn mit den AfD-nahen Freien Wählern kann es keine langfristige Zukunft geben.
Würde sich die Union im Bund mit den Grünen jetzt leichter tun, beispielsweise bei Sozialreformen?
Ja. Die SPD ist gefangen in einer 125-jährigen Geschichte, die sehr stark auf das Soziale aufsetzt. Die ist bei Reformen eher bewegungsunfähig. Die Grünen sind da viel weniger dogmatisch. Wahrscheinlich gäbe es mit denen eher Probleme beim Umweltschutz. Aber ich finde es insgesamt erstaunlich, welche Wandlung die Grünen durchlaufen haben. Denken Sie an Toni Hofreiter. Aus dem Pazifismus von einst ist eine vernünftige, auch an Verteidigung orientierte Politik geworden. Die Grünen sind eine Zukunftspartei – im Gegensatz zur SPD.
Trotzdem: Ihren Auftritt bei den Grünen muss Markus Söder als Provokation empfinden.
Mein Gott, ich kann mein Verhalten doch nicht davon abhängig machen, welche Laune der Markus gerade hat. Ich meine: Man muss Vorurteile abbauen. Es stimmt: Die Grünen haben in der Klimapolitik viele Fronten aufgebaut – das musste man auch kritisieren. Aber womöglich brauchen wir sie nach den nächsten Wahlen. Deshalb ist es falsch, unter Demokraten Fronten und Feindschaften aufzubauen.
Aber im Bierzelt gibt das immer am meisten Beifall.
Ich finde es problematisch, wenn das Bierzelt zum zentralen Ort für Politik gemacht wird. Mich wundert, wenn in diesem Zusammenhang Franz Josef Strauß zitiert wird. Ja, er hat gesagt: Ihr müsst den Leuten aufs Maul schauen. Aber der zweite Teil des Satzes lautete: Ihr dürft den Leuten nicht nach dem Mund reden. Auch im Bierzelt muss man ansprechen, worauf es ankommt. Das ist eine Führungsverantwortung der Politiker.