Afghanistan: Rückkehr oft ohne Perspektive

von Redaktion

Berlin – Die Internationale Organisation für Migration (IOM) sieht Abschiebungen nach Afghanistan kritisch. Viele der zwangsweise zurückgeführten Menschen täten sich mit dem Neuanfang in der alten Heimat extrem schwer, sagt die Leiterin der IOM-Operation in Afghanistan, Mihyung Park. Nicht umsonst stehe Afghanistan auf der Liste der Staaten, für die IOM ihre Unterstützung für freiwillige Rückkehr vorübergehend ausgesetzt beziehungsweise eingeschränkt hat.

Über diejenigen, die aus Pakistan oder dem Iran nach Afghanistan abgeschoben werden, sagt Park: „Einige dieser Menschen haben noch nie dort gelebt.“ Andere hätten, um ihre Flucht oder Auswanderung zu finanzieren, Häuser und Land verkauft, teilweise auch Schulden aufgenommen und stünden nun vor dem Nichts. Frauen werde zudem der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu höheren Bildungsabschlüssen systematisch verwehrt.

Die meisten Abschiebungen von Afghanen gab es seit Anfang 2023 aus Pakistan und dem Iran. Gegen ihren Willen zurück nach Afghanistan gebracht wurden zuletzt auch etliche der mehr als 2000 Menschen aus verschiedenen deutschen Aufnahmeprogrammen, die sich zuvor in Pakistan aufgehalten hatten. Sie sind ehemalige Ortskräfte oder gelten als besonders gefährdet. Da die deutsche Botschaft in Kabul seit dem Fall Afghanistans an die Taliban im August 2021 geschlossen ist, durchlaufen sie in Pakistans Hauptstadt Islamabad ein Prüfverfahren.

Mehr als 200 von ihnen waren im August von den pakistanischen Behörden festgenommen und zur afghanischen Grenze gebracht worden. Außenminister Johann Wadephul (CDU) hat sich dafür eingesetzt, dass das nicht mehr passiert. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte: „Es besteht ein Konsens mit der pakistanischen Regierung, die Aufnahmeverfahren bis zum Jahresende geordnet abzuschließen.“ Anfang des Monats kamen 47 Afghanen mit einer Aufnahmezusage per Linienflug über Istanbul nach Deutschland. Sie hatten zuvor auf Erteilung eines Visums geklagt.

Auch aus der Türkei gibt es regelmäßig Charterflüge mit Afghanen. Diese Menschen, die in der Regel ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgegriffen und dann in geschlossenen Zentren untergebracht wurden, reisen zwar nach Darstellung der türkischen Behörden freiwillig aus. Nichtregierungsorganisationen beurteilen das anders. Laut dem European Council on Refugees and Exiles wurden 2024 in der Türkei 65815 Afghanen als irreguläre Migranten festgenommen.

Aus Deutschland wurden zuletzt nur männliche Straftäter nach Afghanistan abgeschoben – und auch das nur sporadisch. Seit der erneuten Machtübernahme durch die Taliban 2021 wurden mithilfe von Katar zwei Sammelabschiebungen organisiert. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) will dafür sorgen, dass Abschiebungen nach Afghanistan häufiger stattfinden. Ob diese wie zuletzt wieder mit Unterstützung des Golfstaats Katar organisiert werden, lässt sein Ministerium offen. Dobrindt bestätigte gegenüber unserer Zeitung direkte Gespräche seiner Mitarbeiter mit der afghanischen Regierung. Fernziel sind häufiger Abschiebungen per Linienflug. Dobrindt ist auch deutlich zurückhaltender als Wadephul bei der Aufnahme von früheren Ortskräften oder angeblich gefährdeten Staatsbürgern. Er lässt jeden Fall einzeln genau prüfen.A. CLASMANN

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