Schnappatmung und aufgeregtes Geschnatter, wieder mal – die Bundespolitik reagiert sehr erregt auf das Wahl- und Umfragewochenende. Dabei war seit Wochen absehbar, dass die AfD im einst tiefroten Ruhrgebiet zulegt, und Bundes-Umfragen sahen mehrfach Union und AfD gleichauf. Nichts daran ist gut, aber statt Panik braucht‘s kluge Reaktionen. Kanzler Merz und sein Partner SPD können klare Lehren ziehen.
Die Bundesregierung hat ein Vertrauensproblem. Dass es kleiner ist als bei der Ampel, genügt nicht als Trost. Sie muss alle Kraft dafür investieren, Probleme wegzuarbeiten. Das lief gut an beim Thema Migration, wo mit der strikten Begrenzung die erste Hälfte schwungvoll und schnell angepackt ist; Teil zwei mit Rückführungen (Syrien, Afghanistan) muss folgen. Das würde längst stärker als Erfolg empfunden, hätte sich die Koalition nicht mit halbrelevantem Krimskrams wie der Richterwahl selbst Stolperfallen aufgestellt. Der arg hauptstädtische Streit darüber schadete CDU, CSU und SPD. Das war doof.
Hauptprobleme zu lösen und Nebendebatten zu lassen, muss das Rezept gegen Populisten sein. Die NRW-Kommunalwahl lehrt zudem: Die AfD wächst dort, wo Abstiegsängste aufkommen. Im Ruhrgebiet oder bundesweit an allen Automobil- und Zulieferstandorten schnellen blaue Balken nach oben. Da schlägt die Emotion die Analyse, dass AfD-Ideen einer Renationalisierung die exportorientierte deutsche Industrie brutaler töten würden als jeder Strukturwandel. Leider rächt sich regional, dass die SPD nicht mehr als Partei der Fleißigen auftritt, also der „kleinen Leut‘“, die keine Genderdebatten wollen, sondern Sicherheit – innere, soziale wie wirtschaftliche Sicherheit. Ein Linksruck im Umfrageschock würde der SPD kaum helfen.
Die Koalition müsste gemeinsam für die Auto-Industrie kämpfen, für Investitionen in Technologie (auch: Batterie-Entwicklung) und vorerst gegen Verbrennerverbote. Ein Wirtschafts- und Transtatlantikkanzler, eine seriöse, nicht banale CSU und eine Arbeiterpartei SPD, ausgestattet mit hunderten Sondermilliarden, wären eine geeignete Mannschaft dafür. Hoffentlich verstehen das alle drei Partner.
CHRISTIAN.DEUTSCHLAENDER@OVB.NET