„Letzte Warnung für die SPD“

von Redaktion

Schwarz-Rot, wenig Grün: die Wahl-Karte von NRW. Was nicht zu erkennen ist: Die AfD rückt vielerorts auf Platz 2 bis 3.

Gelsenkirchen/München – Am Ende ist es nur noch ein Mini-Puffer. 0,44 Punkte trennen die SPD und die AfD bei der Stadtratswahl in Gelsenkirchen. Hauchdünn bleiben die Sozialdemokraten noch stärkste Kraft, 30,36:29,92 Prozent. Und zum Durchatmen bleibt kaum Zeit, denn übernächsten Sonntag steht schon die Stichwahl um den Oberbürgermeister an; auch hier SPD gegen AfD, ein Vorsprung von immerhin sieben Punkten. Gelsenkirchen, die 260 000-Einwohner-Stadt im Ruhrgebiet: Hier zeigt sich am deutlichsten, mit welch blauem Auge die Sozialdemokratie aus der Kommunalwahl in NRW geht.

Die landesweit addierten Ergebnisse lesen sich weniger dramatisch: Klar vorne liegt nach dem Endergebnis von Montagmorgen mit 33,3 Prozent die CDU von Ministerpräsident Hendrik Wüst und Kanzler Friedrich Merz. Die SPD folgt mit 22,1 Prozent, das ist allerdings ihr historisch schlechtes Ergebnis. Die AfD steigert sich um über neun Punkte auf 14,5., deutlich vor den Grünen (13,5), der Linken (5,6), FDP (3,7) und BSW (1,1 Prozent). „Phänomenal“ sei das, jubeln AfD-Politiker aus Nordrhein-Westfalen. „Wir haben hier unsere Macht nicht nur zementiert, sondern wir haben auch ein Fundament gelegt“, sagt die Gelsenkirchener Bald-AfD-Stadträtin Enxhi Seli-Zacharias. Man sieht sich als neue Volkspartei auch im Westen. Die Brandmauer werde kommunal fallen.

Erwartet wird in allen drei Städten, in denen es die AfD in die Stichwahl um einen Oberbürgermeister geschafft hat (auch in Duisburg und Hagen), ein Sieg der Gegenkandidaten; CDU und SPD wollen sich gegenseitig helfen. Dennoch prägen das AfD-Ergebnis und der stetige Sinkflug der SPD gerade im Ruhrgebiet die Analysen am Tag nach der Kommunalwahl. In NRW läuft die Fehlersuche. Wüst verweist auf Migration und Sozialmissbrauch als prägende Themen. Die kräftigsten Worte wählt Duisburgs SPD-Oberbürgermeister Sören Link, der seit Monaten offensiv gegen organisierte Abzocke bei Kindergeld und Bürgergeld unter anderem durch Clans kämpft: „Ich habe keine Lust, verarscht und beschissen zu werden. Das ist aber genau das, was da passiert.“ Der 49-Jährige macht deutlich, dass er sich hier mehr Einsatz von der SPD erwartet, dazu Klartext bei Migration.

In Teilen der Bundespartei ist das angekommen. Überraschend deutlich äußert sich Ex-Minister Karl Lauterbach. Er fordert eine Rückbesinnung seiner SPD. „Das Ergebnis der Kommunalwahl in NRW ist vielleicht eine letzte Warnung. Die SPD hat große Teile der arbeitenden Bevölkerung verloren“, sagt Lauterbach, er nennt „steigende Kosten, Unsicherheit und Ungerechtigkeiten“. Es müsse härtere Maßnahmen gegen irreguläre Migration und mehr Entlastung für Beschäftigte geben.

Umstritten ist allerdings, ob das für die SPD einen Linksruck und mehr Konfrontation in der Bundesregierung bedeutet, wie es Juso-Chef Philipp Türmer verlangt. Vertrauen in Arbeitermilieus werde die SPD nur mit einer „klaren linken Handschrift entlang von Verteilungsfragen“ zurückgewinnen, sagte er im „Spiegel“.

Kanzler Merz und seine Leute hoffen nun auf Reformbereitschaft der SPD. Nun geht es für die Koalition darum, sich den Reformen zu widmen, die sie sich für den Herbst vorgenommen hat – darunter das schwierige Thema Bürgergeld. Die nächsten Wahlen sind erst in einem halben Jahr. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geht es dann um die Landtage.(MIT DPA/AFP)

OB-Stichwahlen in NRW

Aachen (CDU-Grüne 40:33)
Bonn (CDU-Grüne 39:33)
Bochum (SPD/Grüne-CDU 43:23)
Bottrop (SPD-CDU 39:25)
Bielefeld (CDU-SPD 33:30)
Düsseldorf (CDU-Grüne, 44:22)
Dortmund (SPD-CDU 27:17)
Duisburg (SPD-AfD 46:20)
Essen (CDU-SPD 42:20)
Hagen (CDU-AfD 25:21)
Köln (Grüne-SPD 28:21)
Münster (Grüne-CDU 41:37)

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