Wer ist Sinan Selen?

von Redaktion

Kennen sich schon lange: Innenminister Alexander Dobrindt (CSU, re.) und Sinan Selen. © IMAGO/Chris Emil Janssen

Berlin/Köln – Es soll den Staat und die freiheitlich demokratische Grundordnung schützen. Gegen Extremisten von Rechts und Links, gegen Feinde aus dem Ausland und im Netz: das Bundesamt für Verfassungsschutz. Mit Sinan Selen bekommt es nun einen neuen Chef. Erstmals wird der Posten mit einem nicht in Deutschland geborenen Menschen besetzt. Auf Selen kommt eine Menge Arbeit zu. Denn: Der Verfassungsschutz steht von vielen Seiten unter Beschuss.

Dobrindts Ministerium hat die Fachaufsicht über den Verfassungsschutz. CDU, CSU und SPD einigten sich auf Selen als Nachfolger des früheren Präsidenten Thomas Haldenwang. Dieser ließ sein Amt ruhen, um Anfang des Jahres als CDU-Kandidat zur Bundestagswahl anzutreten. Seine beiden Vizepräsidenten übernahmen übergangsweise die Führung: Silke Willems – und Sinan Selen.

Selen wurde 1972 in Istanbul geboren, wuchs aber in Köln auf und studierte dort auch Rechtswissenschaften. Er war beim Bundeskriminalamt unter anderem im polizeilichen Staatsschutz tätig, eine Zeit lang auch für den Personenschutz des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) mitverantwortlich. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gehörte Selen im BKA einer Sonderkommission an, die zu den Attentätern aus Hamburg ermittelte. 2006 leitete Selen nach dem Fund von zwei Kofferbomben in Regionalzügen die Fahndung nach den Tätern.

Der Fahndungserfolg wurde für ihn zum Sprungbrett ins Bundesinnenministerium. Dort leitete er das Referat für „Ausländerterrorismus und Ausländerextremismus“ im Stab Terrorismusbekämpfung. Seitdem gilt er als Terrorismusexperte, genießt einen guten Ruf – und drängt sich außerdem öffentlich nicht auf.

„Herr Selen bringt eine beeindruckende Expertise in der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung sowie der Spionage- und Cyberabwehr mit“, sagte Dobrindt. „Ich bin überzeugt, dass Herr Selen das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Umsicht und Entschlossenheit erfolgreich weiterentwickeln wird.“ Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir, der Selen aus dem Innenausschuss kennt, ist voll des Lobes. „Menschen mit Migrationsgeschichte sind heutzutage selbstverständlich auch Politiker, Beamte und Unternehmer – das tut unserem Land gut“, sagt Demir, der ebenfalls als Kind mit seiner Familie aus der Türkei nach Deutschland kam.

Laut „Table.Media“ erntet Selen aber besonders von Rechts und Links immer wieder Hass und Hetze. Verschwörungstheoretiker unterstellten ihm, verdeckt für die Türkei zu arbeiten. Selen gab letztlich seine türkische Staatsbürgerschaft ab. Wie er sich als neuer Präsident geben wird, bleibt abzuwarten. Selens Vorgänger gerieten immer wieder in den Fokus – auch in die Kritik. Hans-Georg Maaßen bog scharf nach rechts ab. Haldenwang fiel als Amtschef mit klaren politischen Forderungen auf.

Auch der Verfassungsschutz selbst hat bei vielen Deutschen nicht mehr den allerbesten Ruf. Die AfD, vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft, erkennt die Behörde ohnehin nicht an. Und auch aus der Linken gibt es immer wieder Kritik an der Behörde, speziell mit Blick auf deren Rolle mit V-Männern rund um die NSU-Morde. „Der Verfassungsschutz hat in Bezug auf den Rechtsterrorismus zumindest vollständig versagt, wenn er nicht sogar teilweise mitgemacht hat“, urteilte Linke-Ikone Gregor Gysi vor einiger Zeit im Bundestag. „Die sollen mal ihre Arbeit machen und die Verfassung schützen.“ Selen muss also viel Vertrauen zurückgewinnen. (MIT DPA/AFP)

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