Brenner – Durchbruch ist ein schönes Wort, es wird meist als Metapher verwendet. Heute wird am Brennerpass ein tatsächlicher Durchbruch gefeiert. Seit Beginn der Arbeiten zum Brennerbasistunnel im Jahr 2007 haben sich die Grabungen von italienischer und österreichischer Seite unter dem Alpenhauptkamm erstmals erreicht, ein Durchstich ist gelungen. Es handelt sich um einen 57 Kilometer langen Wartungstunnel, der unterhalb der beiden Hauptröhren für die geplante Eisenbahn-Strecke verläuft. Der Brennerbasistunnel ist eines der größten Verkehrsprojekte der EU, weshalb zum Festakt italienische, österreichische und europäische Spitzenpolitiker erwartet werden. Unter anderem haben sich Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Österreichs Kanzler Christian Stocker angekündigt.
Der Brennerbasistunnel gilt als verkehrspolitisches Schlüsselprojekt mit dem Ziel, die von jährlich 2,4 Millionen Lkw und rund 15 Millionen Autos befahrene Brennerautobahn zu entlasten, den Waren- und Personenverkehr zu beschleunigen und umweltverträglicher zu machen. In Deutschland wird allerdings noch gestritten, auf welchen Gleisen die Züge eines Tages in Richtung Brenner rollen werden.
Stand heute wird der Brennerbasistunnel im Jahr 2032 fertig. Dann sollen die Güter nur noch per Eisenbahn über die Alpen transportiert werden. Auch der Personenverkehr zwischen München und Verona soll eines Tages durch den Tunnel rollen. Heute dauert die Fahrt zwischen Innsbruck und Franzensfeste 80 Minuten, in Zukunft sollen es gerade einmal 25 sein. Die Güterzüge können wegen der geringeren Steigungen im Tunnel in Zukunft länger und schwerer sein und werden die 55 Kilometer lange Strecke in nur 35 Minuten zurücklegen können. Italien und Österreich finanzieren das etwa zehn Milliarden Euro teure Projekt zusammen, die EU subventioniert.
Meloni ist an den rund 1000 am Projekt beteiligten italienischen Firmen gelegen und kann sich am Brenner als effiziente Politikerin inszenieren. Der Tunnel werde zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Italiens beitragen, heißt es. Im Oktober wird Meloni drei Jahre im Amt sein, die Rechtsaußenpolitikerin hat ihre Koalition weiterhin gut im Griff. Der Brenner-Durchbruch wirft da noch ein bisschen mehr Glanz auf Melonis politisches Momentum.
Dabei ist nicht zu vergessen, dass der Brenner ein Zankapfel zwischen Italien und Österreich ist. Das Land Tirol hat zum Schutz der eigenen Bevölkerung vor Lärm und Schadstoffen Antitransitmaßnahmen ergriffen, die den Lkw-Verkehr einschränken. Dagegen läuft vor allem der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini Sturm, auch er wird heute am Brenner erwartet. Italien ging sogar so weit, Österreich vor dem EuGH zu verklagen. Ein Urteil steht noch aus. Mit der Klage wolle er „mit der österreichischen Arroganz Schluss machen“ und die Rechtssicherheit für die europäischen Spediteure wieder herstellen, behauptete Salvini, Chef der rechtspopulistischen Lega. Die EU-Kommission hatte Italien bei seinen Beschwerden recht gegeben. Einige der Maßnahmen der Tiroler Landesregierung, die auch Bayern massiv verärgern, würden den freien Warenverkehr einschränken. Salvini sprach von „illegalen, ungerechten, ignoranten und arroganten Fahrverboten“.JULIUS MÜLLER-MEININGEN