Die Illusion der Meinungsfreiheit

von Redaktion

Late-Night-Talker Kimmel abgesetzt

Die USA, nur zur Erinnerung, sind das Land, dessen Vizepräsident Deutschland eine Beschneidung der Meinungsfreiheit vorgeworfen hat. In der Psychologie würde man von Projektion sprechen, einem unbewussten Abwehrmechanismus. In der Politik ist es hingegen ein altbekanntes Verhaltensmuster von Autokraten. Sie verdrehen die Wahrheit und werfen anderen vor, was sie sich selbst ganz selbstverständlich rausnehmen.

Nun muss der Late-Night-Talker Jimmy Kimmel auf Druck der US-Regierung vom Sender. So verstörend der Schritt ist, so wenig überrascht er. Donald Trump hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er all jene bekämpft, die ihn kritisch sehen – oder, wie Kimmel, verspotten und der Lächerlichkeit preisgeben.

Meinungsfreiheit droht unter Trump immer mehr zu einer Illusion zu werden. Damit kann er nur deshalb durchkommen, weil große Medienkonzerne sich klein machen, sei es aus Opportunismus, Berechnung oder Feigheit. Die Trump-Regierung setzt auf maximale Einschüchterung, bis hin zur grotesken Milliardenklage gegen die „New York Times“, der der Präsident allen Ernstes vorwirft, dass sie, wie dort üblich, eine Wahlempfehlung abgab. Halt gegen ihn.

Die wütend-überdrehte Attacke erinnert an die ähnlich maßlosen Angriffe auf die Hochschullandschaft, eine weitere Bastion kritischer Geister. Dort ist es vor allem Harvard, das dem Autokraten die Stirn bietet, hier die „Times“. Um sie herum wird es allerdings gefährlich einsam.MARC.BEYER@OVB.NET

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