Frontalangriff auf UN und Ampel

von Redaktion

Die ganz große Bühne: Donald Trump erklärt die Welt, Annalena Baerbock hört zu. © Santiago/AFP

München/New York – Die Rede, auf die alle gewartet haben, beginnt mit einer Panne. Der Teleprompter, von dem Donald Trump seinen Text ablesen soll, funktioniert nicht. Alles, was er von der UN bekomme, sei defekte Technik, bemerkt der US-Präsident gleich mal. Außerdem habe auf dem Weg in den Sitzungssaal eine Rolltreppe gestockt und beinahe die First Lady zu Fall gebracht. Der Ton ist damit gleich gesetzt.

Auch Annalena Baerbock hätte eine Geschichte dieses Tages sein können, die frühere Außenministerin hat ihren ersten Auftritt als Präsidentin der UN-Vollversammlung. Sie beschwört die Gemeinschaft der Vereinten Nationen, spricht dann aber auch Sätze aus, die den Bogen zu Donald Trump schlagen: „Die Charta ist nur so stark wie der Willen der Mitgliedsländer, sie aufrechtzuerhalten. Und ihr Willen, diejenigen, die sie verletzen, zur Rechenschaft zu ziehen.“

Der Präsident hat vor sechs Jahren zuletzt hier gesprochen, es war kein sehr freundlicher Auftritt. Trump verachtet die Institutionen. Auch diesmal spart er nicht an Häme für die Vereinten Nationen, auch wenn er zumindest anfangs bemüht ist, nicht zu drastisch zu formulieren. Schließlich hat er noch ein großes Ziel und ist auf ein gewisses Wohlwollen der Weltgemeinschaft angewiesen. Demnächst, wenn die Nobelpreise vergeben werden.

Seine Sprecherin hatte schon angekündigt, Trump werde seine „historischen Leistungen“ erwähnen. Sie meinte das so ernst wie ihr Chef. Ausgiebig würdigt Trump seine Rolle als Friedensstifter, der sieben Kriege beendet habe. Für „jeden einzelnen“ habe er den Friedensnobelpreis verdient. Die Passage ist fester Bestandteil seiner Reden, obwohl Beobachter seine Rolle in den Konflikten deutlich bescheidener bemessen. Diesmal erweitert Trump sie noch um eine Spitze gegen den Hausherrn: „Schade, dass ich diese Dinge tun musste anstelle der UN.“ Die biete nur „leere Worte“.

Krieg Nummer acht, der zwischen Russland und der Ukraine, tobt noch immer, obwohl Trump ihn in 24 Stunden hatte beenden wollen. Er versucht gar nicht erst, diesen Widerspruch zu erklären, sondern versteigt sich zu einer weiteren steilen These: „Unter meiner Führung wäre dieser Krieg nie entflammt.“ Schuld hat in dieser Lesart Joe Biden, sein Vorgänger. Trump stellt mal wieder neue Sanktionen und „sehr gewaltige Zölle“ gegen Moskau in Aussicht – vorausgesetzt, Europa schließe sich an und ergreife die selben Maßnahmen: „Europa muss einen Gang zulegen.“ Ungemütlich wird er für Moskau erst Stunden später, als er sich dafür ausspricht, russische Flugzeuge in Nato-Luftraum abzuschießen.

Wohlwollend betrachtet ist es eine Grundsatzrede mit vielen Facetten. Aber auch ein sehr wilder Mix, der den Faktencheckern viel Arbeit beschert. Erneuerbare Energien bezeichnet Trump als „Witz“, den Klimawandel als „weltweit größten Betrug“. Der Bundesregierung zollt er Anerkennung für deren Neuausrichtung der Energiepolitik (die in Wahrheit nur eine Drosselung des Tempos bei der Energiewende ist). Allerdings behauptet er auch, Berlin sei wieder auf Atomenergie umgeschwenkt.

Die Merz-Regierung kommt ganz gut weg, anders als ihre Vorgängerin. Deren Politik der offenen Grenzen sei gescheitert, wie die vieler anderer Staaten. Trump erwähnt Ausländerkriminalität, überfüllte Gefängnisse und überforderte Sozialsysteme. „Eure Länder gehen vor die Hunde“, ruft er den Europäern zu.

Annalena Baerbock, einst grüne Außenministerin, verabschiedet ihn wenig später mit knappen Worten. Nicht nur sie wirkt etwas konsterniert.

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