KOMMENTAR

Trumps unangenehme Wahrheiten

von Redaktion

EU-Zölle auf russisches Öl

Ja, es war wieder einmal eine Rede, die einen an diesem US-Präsidenten verzweifeln ließ. Donald Trumps Auftritt vor den Vereinten Nationen – zwischen Teleprompter-Panne, angeblicher Rolltreppen-Sabotage und völlig überzogenem Selbstlob – lieferte Wasser auf die Mühlen all seiner Kritiker. Umso ärgerlicher wird es für die Europäer, die vom hohen Ross der moralischen Überlegenheit auf Trumps USA blicken, wenn der Präsident mit einigen seiner Anwürfen schlicht Recht hat.

Jüngstes Beispiel: Die Nato-Verbündeten hätten ihren „Verbrauch russischer Energie nicht ausreichend reduziert“, schimpfte Trump in seiner Rede am Dienstag. Es dauerte keine 24 Stunden, bis Ursula von der Leyen einen Plan für EU-Zölle auf russisches Öl ankündigte, was auch Ungarn und die Slowakei endlich zum Umdenken bringen könnte. Für eine solche Regelung benötigt man keine Einstimmigkeit, es reicht die Zustimmung von 15 der 27 EU-Staaten, die zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen. Warum brauchte es erst Trump? Warum brachte Brüssel bei all den Ukraine-Gipfeln nicht von sich aus die Kraft für eine solche Entscheidung auf?

Man kann wirklich sehr viel an Trump kritisieren. Zweifel am Zustand der Demokratie in den USA sind leider nicht aus der Luft gegriffen. Aber man sollte nicht alle Punkte des Präsidenten beiseite wischen. Er ist wie der unangenehme, viel zu laute Onkel, der bei der Familienfeier alles rausposaunt, worüber die anderen lieber den Mantel des Schweigens hüllen. In der ersten Amtszeit hatte er Recht, als er den Europäern die Bequemlichkeit in Sachen Landesverteidigung vorwarf. Gegen die Pipeline Nord Stream 2 verhängte er Sanktionen, als Angela Merkel noch auf russisches Gas setzte. Und auch wenn Trump heute die zahnlose Uno rügt, legt er den Finger leider in die Wunde.

Sicher: Die Motive für sein Vorgehen sind in der Regel zweifelhaft. Meistens geht es ihm um amerikanische Wirtschaftsinteressen, noch öfter geht es Donald Trump nur um Donald Trump. Sein Ego ist unendlich. Doch gerade deshalb stellt er vieles infrage, was sich in Jahrzehnten westlicher Dominanz der Weltordnung eingeschliffen hat. So sind Populisten: Sie schimpfen über Probleme, bieten aber selten Lösungen. Doch gerade die EU, die sich zwischen Bürokratie und Einstimmigkeitsprinzip oft selbst blockiert, sollte manche Probleme beherzter abräumen.MIKE.SCHIER@OVB.NET

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