Soll am Wochenende an die Spitze der Bayern-SPD rücken: der Münchner Abgeordnete Sebastian Roloff. © Gollnow/dpa
Seit Jahren geht es bergab mit den Genossen im Freistaat. Am Wochenende will sich die Bayern-SPD einmal mehr neu aufstellen. Es geht zurück zur Doppelspitze: Neben Ronja Endres soll der Münchner Sebastian Roloff (42) an die Spitze gewählt werden. Lange arbeitete der in der Oberpfalz aufgewachsene Jurist bei der IG Metall, seit 2021 sitzt er im Bundestag. Ein Gespräch.
Herr Roloff, die Bayern-SPD liegt inzwischen nur noch bei acht Prozent. Muss man Masochist sein, um da nach dem Parteivorsitz zu greifen?
Ach, eine gewisse Leidensfähigkeit hat man als Mitglied der Bayern-SPD, was ich jetzt seit 26 Jahren bin. Angefangen habe ich im Landkreis Cham in der Oberpfalz, wo es noch schwieriger ist als in München. Ich bin also politisch geländegängig. Wir haben in der Parteispitze überlegt, wie wir eine Lösung mit möglichst breitem Konsens hinbekommen – und das ist das Ergebnis.
Ist es klug, wenn im bodenständig-konservativen Bayern zwei eher Parteilinke die SPD führen?
Man muss sehen, wie die Funktionäre, die Delegierten und die Mitglieder ticken. Bei der Bayern-SPD gibt es keinen ausgeprägten konservativen Flügel, höchsten einzelne Vertreter*innen. Das Problem der Bayern-SPD war aber nie, dass sie als zu links wahrgenommen wurde. Sondern: Sie wird zu wenig wahrgenommen. Und wenn, dann oft mit internen Streitereien.
Wie kommt man da raus?
Wir müssen mit einem zugespitzten, inhaltlichen Profil bei drei, vier Kernthemen wahrgenommen werden. Dann kann es nur bergauf gehen.
Welche Themen sind das?
Als wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion sage ich natürlich: Arbeit und Wirtschaft. Wir müssen den Industriestandort Bayern erhalten, vor allem die Autoindustrie. Dann bewegt die Frage des sozialen Ausgleichs uns Sozialdemokrat*innen immer. Und auch die Bildungspolitik.
Aber das sind ja keine neuen Themen für die SPD.
Stimmt. Wir haben zu allen Themen Beschlusslagen. Wir müssen einfach besser rüberkommen, sichtbarer werden und mehr zuspitzen.
Sie gendern auch beim Sprechen. Kommt man damit im Oberland oder in Niederbayern weit?
Das ist da ehrlicherweise überhaupt kein Thema. Mich hat in Bürgerforen noch niemand darauf angesprochen, dass es ihm oder ihr nicht passt, wie ich spreche. Die Frage ist, auf welche Inhalte man die Schwerpunkte legt. Ich fand den Vorwurf, wir würden uns ums Gendern, Cannabis und Selbstbestimmung kümmern, immer abwegig. Wir kümmern uns sehr um Fragen wie Arbeit, Inflation oder Mieten.
Zuletzt gab es aus Ihren Reihen Koalitions-Angebote an die CSU. Würden Sie auch gerne mit Markus Söder regieren?
Wir treten nicht an, nur um dabei zu sein, sondern haben einen Gestaltungsanspruch. Wir wollen regieren. Das heißt aber nicht, dass wir uns Markus Söder an den Hals werfen.
Mit dem regieren Sie schon im Bund. Durchaus mit Differenzen. Stichwort: Bürgergeld. Jetzt fordern die Landräte eine Radikalreform auch für EU-Bürger.
Die Konservativen betreiben seit Jahren eine sehr pointierte Kampagne gegen das Bürgergeld. Das mag im Wahlkampf verständlich sein, wird der Sachlage aber nicht gerecht. Diese Kampagne muss aufhören, dann können wir über Reformen mit Augenmaß reden.
Hm. Auch Arbeitsministerin Bärbel Bas spricht inzwischen sehr deutlich über den Missbrauch, den es offensichtlich gibt.
Das hat mich ehrlich gesagt ein bisschen gewundert. Da geht es ja um bandenmäßigen Betrug! Wenn man das weiß, frage ich: Warum hat man das vorher nicht abgestellt? Die Politik insgesamt muss dafür sorgen, dass Regeln eingehalten werden. Das Gleiche gilt für Schwarzarbeit: Wer Bürgergeld bezieht und nebenbei schwarz arbeitet, macht sich strafbar. Da gibt es keine Toleranz.
Auch jenseits des Bürgergelds plant die Regierung einen Reform-Herbst. Bringt die SPD die Kraft und die Lust für eine „Agenda 2030“ auf?
Das kommt darauf an, was drinsteht. Natürlich müssen wir über das Hausarztprinzip nachdenken und wie es nach der Krankenhausreform weitergeht. Aber wir werden sicher kein soziales Kürzungsprogramm einleiten oder den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zusammenstreichen.