Nach der Abkehr von Wladimir Putin hat Donald Trump nun zum zweiten Mal in dieser Woche eine entscheidende Kehrtwende in seiner Außenpolitik vollzogen: Seine klare Ansage an Benjamin Netanjahu, er werde eine Annexion des Westjordanlandes nicht erlauben, ist ein Warnschuss an den israelischen Premier, das die Solidarität mit der israelischen Regierung auch im Weißen Haus nicht grenzenlos ist.
Die Siedlungspolitik im Westjordanland schafft Fakten, die die Bildung eines Palästinenserstaates unmöglich machen. Es ist eine Annexion auf Raten. Aber Siedlungen lassen sich zumindest theoretisch räumen – Ariel Scharon, der ähnlich wie heute Netanjahu als rechter Hardliner galt, hat es gegen große Widerstände 2005 durchgesetzt, die jüdischen Siedler aus dem Gazastreifen zu vertreiben.
Richtig ist: Frieden hat das den Israelis damals nicht gebracht. Deshalb ist nachvollziehbar, weshalb heute, nach dem Hamas-Massaker des 7. Oktober, kaum noch eine Bereitschaft in der israelischen Bevölkerung da ist, den Palästinensern mehr Autonomie zu gewähren. Aber andererseits wissen die vernünftigen Kräfte in Israel auch, dass es irgendeine Art von Kooperation mit den arabischen Nachbarn geben muss. Auch wenn die beiden Rechtsextremen in Netanjahus Regierung Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir perverse Träume von der Deportation aller Palästinenser hegen – Realpolitik erfordert eine Perspektive, die den Palästinensern ein besseres Leben und eine Heimat sichert.
Das hat offenbar auch Trump begriffen, wahrscheinlich unter dem Einfluss der Gespräche mit saudischen und anderen arabischen Politikern sowie mit Türkeis Präsidenten Erdogan. Der US-Präsident will seinen guten Draht zu den Öl-Scheichs nicht den israelischen Hardlinern opfern. Eines der Hauptziele des Hamas-Terrorangriffs war ja, das damals kurz vor dem Abschluss stehende saudisch-israelische Abraham-Abkommen zu stoppen. Es wäre ein großer Triumph, auch im Kampf gegen den Hamas-Terror, wenn diese Annäherung nun trotz aller seitherigen Gewaltexzesse möglich würde. Dieser Annäherung steht aber die Annexion des Westjordanlandes entgegen – das weiß Trump. Offen bleibt, ob er auch Netanjahu davon überzeugen kann.KLAUS.RIMPEL@OVB.NET