Spannung vor Stichwahl an Rhein und Ruhr

von Redaktion

München – Die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen gehen am Wochenende in die zweite Runde. In 21 von 23 kreisfreien Städten wird ein neuer Oberbürgermeister gesucht, insgesamt gibt es fast 150 Stichwahlen. Vor zwei Wochen war die CDU stärkste Kraft, die AfD verdreifachte ihr Ergebnis, während die SPD mit einem Verlust von 2,2 Prozentpunkten glimpflich davonkam. In drei Städten hofft die AfD nun auf den OB-Posten. Berechtigt? Ein Überblick.

Die 500 000-Einwohner-Stadt Duisburg gilt als das Krisengebiet schlechthin, wenn es um Probleme der Integration, Sozialbetrug und Kriminalität geht. Umso bemerkenswerter, dass die SPD hier gegenüber 2020 um fast zwei Prozent zugelegt hat und ihr OB Sören Link im ersten Wahlgang mit 46 Prozent unangefochten vorne lag. Link (49), seit 13 Jahren im Amt, hadert öffentlich mit der Bundespartei, fühlt sich in Fragen der sozialen Gerechtigkeit „verarscht und beschissen“ und ließ vergangenes Jahr eine Razzia in einem bundesweit berüchtigten Hochhaus („Weißer Riese“) durchführen, um Leistungsmissbrauch zu ahnden. AfD-Kontrahent Carsten Groß konnte aus den Reizthemen kein politisches Kapital schlagen und kam nur auf knapp 20 Prozent. In der Stichwahl gilt er als chancenlos.

Die Beliebtheitswerte von Köln sind stabil hoch, aber das hat vor allem damit zu tun, dass die Stadt „von innen schön“ ist, wie auch Einheimische sagen. Die Menschen mögen liberal und lebenslustig sein, dafür sind die Kassen leer, Straßen und Parks vermüllt, der Wohnungsmarkt hoffnungslos überlastet und der Verkehr ein großes Chaos. Die scheidende Oberbürgermeisterin Henriette Rekers (parteilos) hat wenig zum Guten bewirkt. Um ihre Nachfolge konkurrieren die Grüne Berivan Aymaz (im ersten Wahlgang 28,1 Prozent) und Torsten Burmester von der SPD (21,3). Aymaz, aktuell NRW-Landtagsvizepräsidentin, wäre das erste grüne Oberhaupt einer deutschen Millionenstadt.

Auch in Hagen, am Rande des Sauerlandes, kommt es am Sonntag zur Stichwahl. Als zweiter Bewerber hinter dem CDU-Amtsinhaber konnte sich der AfD-Mann Michael Eiche mit 0,2 Prozentpunkten Vorsprung gegen den SPD-Kandidaten durchsetzen. Die Stadt kämpft wie viele im Ruhegebiet mit Armutsmigration, Arbeitslosigkeit, maroder Infrastruktur. Der „Spiegel“ widmete Hagen neulich eine große Geschichte – als Beispiel, „wo gar nichts in Ordnung ist“. Die AfD steigerte ihr Wahlergebnis gegenüber 2020 von 9,3 auf 22,4 Prozent. OB-Favorit bleibt dennoch Dennis Rehbein von der CDU.

30 Kilometer nordwestlich, in Gelsenkirchen, kennt man die Hagener Probleme aus eigener Erfahrung. Auch hier hat die AfD massiv Stimmen gewonnen, mit 29,9 Prozent lag sie vor zwei Wochen nur knapp hinter der SPD (30,4). Aber auch hier liegt die SPD-Kandidatin Andrea Henze bei der OB-Wahl vorne (37,0) und geht als Favoritin in die zweite Runde. Im Wahlkampf setzte sie auf „Ordnung, Sicherheit, Sauberkeit und Migration aus Südosteuropa“ – wahrlich keine SPD-Rhetorik. Ihr Mitbewerber Norbert Emmerich, ein freundlicher, betont moderat auftretender Rentner, hat mit der Stichwahl einen Achtungserfolg erzielt. In vielen Städten – darunter Dortmund, Oberhausen, Wuppertal und Bochum – treffen CDU- und SPD-Vertreter aufeinander, in Bonn und Aachen wollen Grüne ihren Posten verteidigen. MARC BEYER

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