Taipeh – Sie sind jung, vermummt, wütend. Was als friedlicher Protest begann, endete vergangene Woche in einer offenen Schlacht auf den Straßen Manilas: Demonstranten warfen Flaschen und Steine, setzten Autos und Motorräder in Brand, attackierten Polizisten. Bei den Ausschreitungen in der philippinischen Hauptstadt wurden Dutzende verletzt, mehr als 200 Menschen festgenommen – darunter auffallend viele Minderjährige.
„Diese Generation beugt sich nicht der Korruption“, stand auf Plakaten und Transparenten. Gemeint ist die Generation Z – geboren zwischen 1997 und 2012. Sie eint eine Welle der Wut: nicht nur auf den Philippinen, wo ein Korruptionsskandal um ein Hochwasserprojekt das Land erschüttert, sondern in ganz Asien.
Seit Wochen gehen Schüler und Studenten in mehreren Ländern auf die Barrikaden. In Nepal haben sie sogar den Premierminister zu Fall gebracht. Anfang September stürmten Massen an jungen Leuten das Parlament in Kathmandu, steckten Regierungsgebäude in Brand und griffen Politiker an. Mehr als 70 Menschen starben bei den Krawallen. Premier Khadga Prasad Oli trat daraufhin zurück.
Auslöser war das landesweite Verbot Sozialer Netzwerke wie Facebook und Instagram. Doch der Zorn der jungen Generation brodelt schon viel länger – und richtet sich vor allem gegen die sogenannten „Nepo Kids“: Kinder von Abgeordneten, die online mit luxuriösen Urlauben in Europa und extravaganten Hochzeiten prahlen. Viele junge Nepali sind überzeugt, dass Politiker für diesen Lebensstil Steuergelder abzweigen – während gut ein Fünftel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt.
Ähnlich ist die Lage in Indonesien. Seit dem Sommer kommt es in dem südostasiatischen Inselstaat immer wieder zu Protesten der Generation Z, die oft in Gewaltexzessen enden. Anlass war die Ankündigung, dass Parlamentarier künftig eine Wohnzulage in Höhe von umgerechnet 2600 Euro erhalten sollen – fast das Zehnfache des Mindestlohns in Jakarta. Endgültig kippte die Stimmung, als ein 21-jähriger Essenslieferant bei einer Demonstration von einem Polizeifahrzeug überrollt wurde. Daraufhin zündeten Demonstranten das Parlamentsgebäude in Süd-Sulawesi an, plünderten Häuser von Politikern und prügelten einen Mann zu Tode, den sie für einen Geheimdienstoffizier hielten.
All diese Proteste verbindet ein gemeinsames Symbol: eine Flagge mit grinsendem Totenkopf und Strohhut, bekannt aus der japanischen Anime-Serie „One Piece“: In Indonesien hängt sie an Häusern, Motorrädern und Autos, in Nepal wurde sie an den Toren des Palasts befestigt, und auch auf den Philippinen wird sie bei Kundgebungen geschwenkt. In der beliebten Manga-Serie, die seit 1997 läuft, legt sich eine Piratenbande mit der korrupten Weltelite an. Heute ist die Flagge zu einem Zeichen des Widerstands für Teenager auf der ganzen Welt geworden. In Indonesien warnte bereits ein Abgeordneter, das Zeigen des Symbols könne bald als Hochverrat gelten.
Bemerkenswert ist auch, wie sich die Proteste organisieren. Sie werden nicht von Parteien oder oppositionellen Gruppen mobilisiert, sondern dezentral über Apps wie Tiktok befeuert. Auf der Plattform Discord, sonst ein Treffpunkt für Gamer, wurde kürzlich sogar die Interims-Regierungschefin Nepals gewählt. KATHRIN BRAUN