WIE ICH ES SEHE

Aufs Neue blüht der Flüsterwitz

von Redaktion

Wir leben wieder in einem Zeitalter von Autokraten. In Peking haben sie sich kürzlich getroffen, die absoluten Herrscher von China, Russland, Weißrussland und Nordkorea. Sie möchten die unter Führung der USA nach dem Krieg etablierte westliche Weltordnung ersetzen durch etwas, das sie „multipolare Welt“ nennen.

Damit gemeint ist unter anderem die Beseitigung persönlicher Freiheitsrechte für normale Menschen. Nicht einmal im Scherz einer Satire darf man dann die Herrscher und ihr Unrechtssystem vorführen, ohne Verhaftung und Strafe zu riskieren.

Auch der amerikanische Präsident Trump hasst es, wenn man sich über ihn lustig macht. Der Fernsehmoderator Jimmy Kimmel wurde auf Druck des Trump-Teams von seinem Sender unter einem kaum kaschierten Vorwand vorübergehend abgesetzt.

Die Trump-Anwälte haben aber auch die „New York Times“ im Visier. Die Zeitung soll 15 Milliarden Dollar als Strafe und Schadensersatz zahlen für ihre andauernde Trump-Kritik. Auch das „Wall Street Journal“, eigentlich ein eher konservatives Blatt, ist verklagt worden. Die Zeitung hatte Trump mit dem toten Sex-Verbrecher Jeffrey Epstein in Verbindung gebracht und dabei eine anzügliche, erotische Zeichnung dem Präsidenten zugeordnet.

In autokratisch regierten Ländern bleibt am Ende nur der „Flüsterwitz“. Hinter vorgehaltener Hand von Mund zu Mund verbreitet lässt er sich auch im Zwangsstaat nicht ganz aus der Welt schaffen.

Wir Deutschen wissen ein Lied davon zu singen. Im Hitler-Staat offenbarte der Flüsterwitz den ganzen NS-Wahn und seine Führer von Hitler bis zu Goebbels und Göring, bis sie nackt dastanden wie ein Kaiser ohne Kleider.

Der Geheimen Staatspolizei war das bekannt. Als noch zu Anfang der Terrorherrschaft politisches Kabarett möglich war, entsandten sie „Aufpasser“ in jede Vorstellung. Der mutige Werner Fink witzelte dazu: „Kommen sie mit – oder muss ich mitkommen?“ Viele Witze gab es im Sowjet-Russland über Stalin: Eines Tages informiert er seinen Kommissar, dass er seine Pfeife verloren hat. Später findet er sie aber hinter dem Sofa. „Das ist nicht möglich“, sagt der Kommissar. „Drei Angeschuldigte, mit denen wir ein polizeiliches Verhör hatten, haben schon gestanden, die Pfeife gestohlen zu haben.“

Leonid Breschnew dagegen meinte: „Wenn sie Witze über mich machen, dann heißt das, sie lieben mich.“

Ganz verkehrt ist diese Aussage vielleicht nicht. Jedenfalls meint der britische „Economist“, der sich in seiner aktuellen Ausgabe mit dem Flüsterwitz beschäftigt, dass jede Satire auch etwas Hochachtung enthält. Über „Nobodys“, die nichts darstellen in den Augen anderer, werden auch keine Witze gemacht.

Beim Anblick der heutigen Autokraten und derer, die es gerne wären wie Trump, spürt man nichts von Hochachtung. Dafür wird der alte Satz aus der römischen Kaiserzeit wieder lebendig: Schwierig ist es, keinen Witz über sie zu machen!

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