Ein Milliardär an den Schalthebeln der Politik: Der 71-jährige Andrej Babiš spricht nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses am Samstag. © Øíhová Michaela/dpa
Prag – Andrej Babiš winkt aus dem Auto. Er hat es selbst zu der Prager Burg gefahren, wo er am Sonntagmorgen auf Tschechiens Präsidenten Petr Pavel traf, um über die künftige Regierung zu beraten. Nach vier Jahren in der Opposition konnte Tschechiens Ex-Premierminister seine Protestbewegung ANO am Wochenende mit fast 35 Prozent zum Sieg führen. Doch die Regierungsbildung dürfte schwierig werden, was einige Beobachter noch am ersten Wahltag über Neuwahlen spekulieren ließ.
„Er ist das Paradebeispiel eines technokratischen Populisten, der sich von Anfang an weigerte, seine Identität entlang der Links-Rechts-Achse zu definieren“, sagt Politologin Daniela Ostrá von der Palacky-Universität in Olmütz. Weil Babiš ein ideologisches Fundament fehle, habe er sein politisches Angebot auch im vergangenen Wahlkampf den Wählerpräferenzen angepasst. Er setzte auf Gesundheitsversorgung, leistbares Leben, den Kampf gegen Korruption und machte überdies die Unterstützung für die Ukraine zum Thema – alles Bereiche, wo es in Tschechien seit Jahren kriselt.
Einige Beobachter nennen den Milliardär den „tschechischen Trump“. Mit rotem Baseballcap war Babiš unter dem Motto „Starkes Tschechien“ in den Wahlkampf gegen die proeuropäische Regierungskoalition von Ministerpräsident Petr Fiala gezogen. Damit hat der Populist einen Nerv getroffen.
Worauf müssen sich die Tschechen, die EU und die Ukraine unter einer Babiš-Regierung einstellen? Der 71-Jährige erklärte, den „Wahnsinn aus Brüssel“ stoppen zu wollen. Der Green Deal ist ihm ein Graus – eine Einstellung, die ihn mit einem seiner möglichen Koalitionspartner verbindet: der neuen Protestbewegung der „Motoristen“, die für Verbrennungsmotoren kämpfen und am Samstag knapp sieben Prozent der Stimmen holten.
Mit der Bewegung Freiheit und direkte Demokratie (SPD, 8 Prozent), einem weiteren möglichen Regierungspartner, verbindet Babiš wiederum die Skepsis gegenüber der Ukraine. Durch seine Munitionsinitiative wurde Tschechien zu einem der wichtigsten Unterstützer des angegriffenen Landes. Voriges Jahr stellte Prag 1,5 Millionen Geschosse für die Verteidigung bereit. Noch im September beschloss die scheidende Regierung ein Hilfspaket von jährlich 41 Millionen Euro bis 2030 für die Ukraine. Babiš zufolge würde dieses Geld besser „für unsere eigenen Leute“ ausgegeben.
Als großer Wahlverlierer gilt Premier Fialas Regierungsbündnis SPOLU. Dieses landete mit 23 Prozent auf dem zweiten Platz, dahinter die mitregierende Bürgermeisterpartei STAN (11 Prozent). Beide Parteien schlossen eine Zusammenarbeit mit Babiš aus. Die Regierungsbildung dürfte sich daher schwierig gestalten. Wie Babiš ankündigte, strebt er eine Minderheitsregierung unter Duldung der ultrarechten SPD und Motoristen an. Doch ein stabiles Fundament sieht anders aus: Gemeinsam schafften es die drei Parteien auf rund 50 Prozent, bei Abstimmungen im Parlament käme es auf jeden einzelnen Abgeordneten an.
Hinzu kommt die unterschiedliche Herangehensweise der EU-Skeptiker. Während die Rechtsaußenparteien ein Referendum über Tschechiens EU- und Nato-Austritt fordern, konterte Babiš: „Wir wollen die EU nicht verlassen, das würde uns schaden, aber wir wollen sie verändern.“ Damit schlug er in dieselbe Kerbe wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán.
Überhaupt plant Babiš, nach Regierungsantritt die zuletzt im Dornröschenschlaf liegende Visegrád-Gruppe wiederzubeleben – nicht zuletzt als Gegenpol zu Brüssel. Mit Orbán und dem slowakischen Premier Robert Fico hätte er die passenden Verbündeten.