KOMMENTARE

Regierung verordnet mehr Optimismus

von Redaktion

Kritik macht Kanzler dünnhäutig

Der Kanzler und sein Vizekanzler haben die Klagen über den ausbleibenden Ruck satt – und gehen zum Gegenangriff über. Mehr Zuversicht fordern Friedrich Merz und sein SPD-Koalitionspartner Lars Klingbeil von den Regierten. „Für Pessimismus und Larmoyanz haben wir keine Zeit“, ermahnt Friedrich Merz Bürger und Unternehmenschefs. Das ist gut. Noch besser aber wäre es, wenn die Regierung den Menschen etwas mehr Grund für Optimismus geben würde. Das geht nicht mit Gesundbeten. Sondern nur mit beherzten Reformen, die die schlechte Laune vertreiben. Denn die Krise ist nicht herbeiphantasiert, sondern real: Die Energie ist in Deutschland zu teuer, die Arbeitszeit zu kurz, Sozialstaat und Bürokratie zu erdrückend.

Doch den nötigen Aufbruch vertagt die nun schon nicht mehr so neue Regierung auch im sechsten Monat wieder und wieder. Gleich ob Bürgergeld, Gesundheit, Pflege oder Rente: Noch immer kennen die Menschen nicht den Plan der Koalition – und es gibt guten Grund zur Vermutung, dass es vielleicht gar keinen gibt. Das ist der Grund dafür, dass die dümpelnde Wirtschaft sich nicht fängt, das Vertrauen der Menschen mit jeder Woche auf neue Tiefststände fällt und das einzige, was steigt, die Zustimmungswerte für die AfD sind.

Mit seinen ersten Reden hat der Kanzler große Erwartungen geweckt. Jetzt drohen diese Hoffnungen in Enttäuschung umzuschlagen, weil Merz die SPD bis jetzt nicht für seinen Reformkurs gewinnen kann. Der Trick, den schlecht gelaunten Bürgern die Schuld dafür zuzuschieben, dass nichts vorangeht, wird nicht funktionieren. Im Fernsehen rechnete Merz kürzlich vor, dass die Regierung erst gut 150 Tage im Amt sei, also noch 1350 weitere Tage Zeit habe. Hier irrt der Kanzler. Morgen treffen sich CDU, CSU und SPD zum Koalitionsausschuss. Für die schwarz-rote Koalition und ihren Chef ist das schon eine Art letzte Chance zu zeigen, dass es doch so etwas wie den gemeinsamen Willen gibt, einen Ruck durchs Land gehen zu lassen. GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET

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