Macrons Plan gegen Neuwahlen

von Redaktion

Die dramatische Regierungskrise in Frankreich spitzt sich weiter zu: Jetzt sollen die linken Parteien helfen, Neuwahlen zu verhindern.

Sucht nach Wegen aus der Krise: Der scheidende Ministerpräsident Sébastien Lecornu. © Lecocq/dpa

Paris/München – Der spektakuläre Rücktritt von Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu nur 14 Stunden nach der Bekanntgabe seines Regierungs-Teams hat Frankreich in eine tiefe Krise gestürzt. Doch Präsident Emmanuel Macron will den Rücktritt nicht einfach akzeptieren – und beauftragt Lecornu, mit den anderen Parteien Auswege aus der Krise zu finden.

Macrons und Lecornus gemeinsames Ziel: Neuwahlen verhindern! Denn der Präsident muss fürchten, dass diese die rechts- und linksradikalen Parteien stärken würden. Aber selbst wenn Marine Le Pens Rassemblement National (RN) und Jean-Luc Mélenchons linkspopulistische Partei La France Insoumise (LFI) nicht zulegen, würde auch nach Neuwahlen erneut eine Dreiteilung des Parlaments in Rechts-Mitte-Links drohen, die wieder zu keinen Kompromissen findet. Das ist auch den die Regierung tragenden Parteien bewusst, weshalb Lecornu hofft, doch noch eine Mehrheit für die Verabschiedung des Haushalts zu finden. Denn angesichts der dramatisch hohen Überschuldung kann sich Frankreich eine längere Hängepartei eigentlich nicht leisten.

Es gebe den gemeinsamen Willen, bis Ende des Jahres einen Haushalt zu verabschieden, sagte Lecornu. „Und dieser Wille schafft natürlich eine Bewegung und eine Annäherung, die die Aussicht auf eine Auflösung des Parlaments in weite Ferne rücken lassen.“

Als ein Schritt zur Lösung der Krise wolle er nun auf die Sozialisten zugehen, sagte Lecornu. Gestern empfing er die Parteien des linken Lagers, „um zu sehen, welche Zugeständnisse sie von den anderen politischen Gruppierungen verlangen, um diese Stabilität zu gewährleisten, und welche Zugeständnisse sie gegebenenfalls auch selbst zu machen bereit sind, um dies zu ermöglichen, denn ich habe verstanden, dass auch sie möchten, dass Frankreich unseren Haushalt noch vor Ende dieses Jahres verabschieden kann“. Nicht eingeladen war Linkspopulist Melénchon.

Anschließend erklärte Lecornu, die Ernennung eines Nachfolgers binnen 48 Stunden sei möglich. „Es gibt eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung, die eine Auflösung ablehnt“, sagte er. Denkbar ist, dass Sozialisten, Kommunisten und Grüne, die bei der vorgezogenen Parlamentswahl 2024 stark abschnitten, eine Regierungskoalition mit Macrons Mitte-Parteien unterstützen würden, wenn sie einen Premierminister aus dem linken Lager bekommen.

Macron würde es zwar bevorzugen, dass Lecornu einen Neustart als Premier wagt. Allerdings hatte Lecornu bereits durchblicken lassen, er wolle nicht erneut als Premier antreten. Gestern bestätigte er diese Haltung: „Meine Mission ist heute Abend beendet.“

Seit der von Macron angesetzten vorgezogenen Parlamentswahl 2024 ist das Parlament in drei sich gegenseitig blockierende Blöcke gespalten. Die Vorgänger Lecornus, François Bayrou und Michel Barnier, waren beide mit ihren Sparbemühungen gescheitert.

Sollte das Parlament es nicht schaffen, einen Etat zu verabschieden, wären ab Anfang 2026 Notgesetze nötig, um die Regierung am Laufen zu halten. Frankreichs Haushaltsdefizit ist das höchste innerhalb der Eurozone – es liegt mit 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) derzeit bei fast dem Doppelten des in der EU erlaubten Höchstwerts von drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Auch die Staatsverschuldungsquote liegt mit 110 Prozent des BIP über dem im Euro-Stabilitätspakt erlaubten Bereich.

In absoluten Zahlen lastet auf dem Land mit rund 3300 Milliarden Euro der höchste Schuldenberg im Euroraum. Die EU-Kommission hat im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet. Zudem stufte die Ratingagentur Fitch Mitte September auch noch die Kreditwürdigkeit Frankreichs herab. Das erschwert es Frankreich zusätzlich, sich am Kapitalmarkt frisches Geld zu besorgen.

Macron hüllte sich weiter in Schweigen. An Rücktritt, wie ihn nicht nur Le Pen, sondern auch ehemalige Vertraute wie Édouard Philippe fordern, denke er aber nicht, heißt es aus dem Elysée-Palast.

Artikel 2 von 11