Vollbremsung für den Turbo

von Redaktion

Gesprächsbedarf: Die Spitzen von CDU (Im Bild Kanzler Merz), CSU und SPD trafen sich gestern zum Koalitionsausschuss. © dpa

Berlin – Die von der Ampel-Koalition eingeführte „Turbo-Einbürgerung“ für besonders gut integrierte Ausländer ist schon wieder Geschichte. Mit den Stimmen der schwarz-roten Koalition und der AfD beschloss der Bundestag die Abschaffung der erst im vergangenen Jahr eingeführten Regelung. Statt drei Jahren müssen die Betroffenen künftig mindestens fünf Jahre regulär in Deutschland leben, ehe sie einen deutschen Pass erhalten können.

Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte, die Einbürgerung stehe am Ende eines Integrationsprozesses und nicht am Anfang: „Der deutsche Pass muss als Anerkennung für gelungene Integration zur Verfügung stehen und nicht als Anreiz für illegale Migration.“ Man sende damit „ein klares Signal in die Öffentlichkeit: Von dieser Regierung aus werden Pull-Faktoren reduziert“. Das Gesetz der Ampel-Regierung sei der „grundfalsche Ansatz“ gewesen. Dieser habe das Land verunsichert, Polarisierung gebracht und nicht geholfen bei der Fachkräfteeinwanderung.

Von der bisherigen Sonderregelung hatten allerdings ohnehin nur wenige Zuwanderer profitiert. Im Juni dieses Jahres ergab eine Umfrage, dass die beschleunigte Einbürgerung bundesweit lediglich in einigen hundert Fällen zur Anwendung kam.

Den Unionsparteien war die Reform der Vorgänger-Regierung von Anfang an ein Dorn im Auge. Deshalb war die Abschaffung bereits im schwarz-roten Koalitionsvertrag vereinbart worden.

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede sagte nun unter Verweis auf die niedrigen Fallzahlen, die beschleunigte Einbürgerung sei nicht der zentrale Hebel beim Staatsbürgerschaftsrecht. Wichtiger sei, dass die Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit bestehen bleibe. Eingebürgerte müssen weiterhin nicht auf andere Staatsbürgerschaften verzichten, wenn sie einen deutschen Pass wollen. Dobrindts Gesetzentwurf lässt zudem noch einen anderen Punkt der Staatsbürgerschaftsreform der Ampel-Regierung in Kraft. Die Reform hatte den Mindestaufenthalt in Deutschland vor der Einbürgerung von acht Jahren auf im Regelfall fünf Jahre gesenkt – dabei soll es bleiben.

Deutliche Kritik an der Rückabwicklung kam hingegen von Grünen und Linken. Die „rückwärtsgewandte Politik“ der Koalition schade der Integration, sagte Filiz Polat, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion. Ferat Kocak von der Linken warf CDU und CSU sogar vor: „Mit Ihrer Migrationspolitik machen Sie den Hass der AfD salonfähig.“

Experten sind unterschiedlicher Meinung. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration, Winfried Kluth, etwa hält den Schritt für sinnvoll, weil damit der Eindruck eines zu leichten Zugangs zur deutschen Staatsangehörigkeit korrigiert werde. Der Migrationsforscher Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung warnte hingegen, durch die Rücknahme sinke der Anreiz für Hochqualifizierte, nach Deutschland zu kommen.

Der Wirtschaftsweise Martin Werding kritisierte ebenfalls die Abschaffung der Regelung. Er sagte im „rbb24 Inforadio“, dass solche Einbürgerungsmöglichkeiten zu einer guten Zuwanderungspolitik dazu gehörten – vor allem in alternden Gesellschaften.

2024 hatte die Zahl der Einbürgerungen in Deutschland einen Höchststand erreicht. Rund 292 000 Menschen erwarben nach Angaben des Statistischen Bundesamts den deutschen Pass. Voraussetzung für eine Einbürgerung sind gute Deutschkenntnisse und die Sicherung des Lebensunterhalts. Wer Sozialleistungen bezieht, kann nicht eingebürgert werden.

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