Was lange währt: Am Ende ausgedehnter Beratungen verabschieden sich Markus Söder, Friedrich Merz und Bärbel Bas. © dpa
München/Berlin – Die Geheimhaltung funktionierte tadellos, zumindest fast. Eine einzige Wasserstandsmeldung verbreiteten die Agenturen am späten Mittwochabend, ihr Inhalt war denkbar dürftig („Bisher keine Ergebnisse“). Ansonsten gab es vom Koalitionsausschuss im Kanzleramt nur ein kurzes Video, das ein ZDF-Korrespondent kurz vor Mitternacht verbreitete, gedreht durch die geöffneten Jalousien. Es zeigt einen heftig gestikulierenden Markus Söder, der Subtext: Da streiten sie wieder.
In den Sozialen Medien wurde die Sequenz ausgiebig bespöttelt, dabei belegt sie vor allem eine Selbstverständlichkeit. So sieht es aus, wenn um ein Ergebnis schwer gerungen wird. Bis tief in die Nacht tagte die Runde, am Ende war man sich in den meisten Punkten einig (abgesehen vom Verbrenner-Aus). Und gerade beim sensibelsten Thema, dem Bürgergeld, haben sich Söder und die anderen Unionsvertreter umfassend durchgesetzt.
Die komplette Leistung wird umgekrempelt, angefangen beim Namen. „Das Bürgergeld ist jetzt Geschichte“, sagt Söder. Der neue Titel „Grundsicherung“ klingt nicht nur minimalistischer, er spiegelt auch den wesentlich rigideren Charakter wieder, den die Maßnahme haben wird.
Bereits bei der Antragsstellung ist ein Beratungsgespräch künftig Pflicht, dort wird ein „Kooperationsplan“ aufgestellt. Wer einen Termin im Jobcenter schwänzt, erhält umgehend einen Nachholtermin, wird auch der nicht wahrgenommen, können die Leistungen um bis zu 30 Prozent gekürzt werden. Ein weiteres, dann drittes Fernbleiben zieht die Einstellung aller Zahlungen nach sich. Letzte Eskalationsstufe: Bei einem erneuten Verstoß entfallen sämtliche weiteren Leistungen einschließlich Miete. Härtefälle, vor allem gesundheitlicher Art, werden berücksichtigt.
Eine „Kaskade der Sanktionen“ nennt Arbeitsministerin Bärbel Bas die neuen Regeln. Noch am Mittag vor der entscheidenden Sitzung hat sie lange mit Kanzler Friedrich Merz beraten, der dankt anschließend für die „wirklich sehr, sehr gute Zusammenarbeit“. Bas und ihre Partei haben sich weit in Richtung Union bewegen müssen, auf Druck des Koalitionspartners, aber auch der Öffentlichkeit.
Die SPD-Frau sagt dann Sätze, die man in dieser Härte eher von den C-Parteien erwartet hätte. „Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben“, weil die Regeln mehr Verbindlichkeit vorsähen als bisher. Die neuen Sanktionen reichten „bis an die Grenzen dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist“.
Auch bei der Verweigerung einer neuen Arbeit droht künftig die komplette Streichung der Geldleistung, als zweiter Schritt nach einer 30-Prozent-Kürzung. Das Geld für die Unterkunft soll zudem direkt an den Vermieter fließen. „Arbeitsverweigerer erhalten somit zukünftig keine Leistung mehr“, sagt Bas. Hinzu kommen weitere tiefe Einschnitte: Das Schonvermögen wird an Alter und Lebensleistung geknüpft, Karenzzeiten entfallen. Schwarzarbeit und bandenmäßiger Sozialmissbrauch sollen durch verschärfte Kontrollen und besseren Datenaustausch eingedämmt werden.
Für den linken Flügel der SPD ist vor allem die vollständige Streichung aller Leistungen eine Zumutung. Bas, selbst eine Parteilinke, sagt dennoch, sie könne „gut vertreten, dass die, die nicht mitmachen, keine Leistungen kriegen – das ist kein Widerspruch“. Wichtig sei, dass beim Kooperationsplan die Augenhöhe gewahrt bleibe. Die Co-Parteichefin dämpft gleichwohl Erwartungen, durch die Kürzung von Leistungen lasse sich viel einsparen: „Der Betrag wird sehr klein sein.“ Das entscheidende Sparpotenzial liege darin, Arbeitslose zurück in die Berufstätigkeit zu führen. Vor allem junge Menschen sollen über Qualifizierungsmaßnahmen gefördert werden.
Weniger kontrovers wird das Thema Rente behandelt. Am 1. Januar soll die Aktivrente kommen, mit der Ruheständler 2000 Euro steuerfrei verdienen können. Diese Summe unterliegt nicht dem Progressionsvorbehalt – sie erhöht nicht den Steuersatz für das restliche Einkommen.