Spätestens nach der verlorenen NRW-Kommunalwahl hat sich wohl auch im Bärbel-Bas-Teil der SPD-Spitze die Einsicht durchgesetzt, dass das als ungerecht empfundene Bürgergeld für die Partei der sozialen Gerechtigkeit kein Gewinnerthema (mehr) ist – ebenso wenig wie es die laxe Asylpolitik jemals war. Die Koalition mit der Merz-CDU bietet den Genossen die Chance, wieder mehr auf ihre Kernwähler, die vielfach zur AfD abgewanderten Arbeiter, zuzugehen.
Es spricht für den Realitätssinn der SPD-Führung, dass sie sich nach heftigem Sträuben des linken Parteiflügels am Ende doch noch dazu aufgerafft hat, zum Schröder‘schen Prinzip des Förderns und Forderns in der Arbeitsmarktpolitik zurückzukehren und das Bürgergeld in seiner Form als bedingungsloses Grundeinkommen wieder abzuschaffen. Das sozialistische Utopia der SPD ist abgebrannt: Nach dem doppelten Umkehrschwung gelten wieder die den Parteilinken so verhassten Sanktionen für Terminschwänzer und Arbeitsverweigerer, so hat es der Koalitionsausschuss am Mittwoch tief in der Nacht beschlossen. Eine sechsstellige Zahl von Menschen hofft Sozialministerin Bas mit mehr Druck wieder in Arbeit zu bringen. Die Zahl ist nicht zu hoch gegriffen, wenn man auf die Erfahrungen mit den Schröder-Reformen blickt, die die Arbeitslosenzahl von fünf auf drei Millionen drückten.
Asyl, Staatsbürgerschaft, Bürgergeld: Stück für Stück wickelt die Regierung das Ampel-Erbe ab und folgt damit der konservativer gewordenen Stimmung unter den Wählern. Auch wenn der Koalitionsstreit anderswo munter weitergeht, siehe Verbrenner-Aus: Der schwarz-roten Koalition bietet sich mit dem Bürgergeld-Kompromiss und der ebenfalls beschlossenen Aktivrente, die angesichts des Fachkräftemangels ältere Arbeitnehmer im Job halten soll, die Chance auf ein bisschen Neuanfang. Jedenfalls endet der vom Kanzler groß angekündigte „Herbst der Reformen“ nicht als völlige Lachnummer. Nach der massiven Stimmungsabkühlung in der Bevölkerung ist das schon als Erfolg zu werten. GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET