Zehntausende feiern in Tel Aviv Donald Trumps Geisel-Deal mit der Hamas. © Sultan/EPA
Die in München geborene Melody Sucharewicz arbeitet als Politikberaterin in Israel und leitet die Solidaritätsaktionen für die Angehörigen der Hamas-Geiseln in Deutschland. Wir sprechen mit ihr über die bevorstehende Befreiung der Hamas-Geiseln.
Sie sind mit den Geiselfamilien im engen Kontakt. Wie geht es den Angehörigen?
Es herrscht immense Erleichterung, da endlich alle Geiseln zurückkommen sollen – die, die leben und die, die nicht mehr leben. Aber bei all dieser großen Hoffnung bleibt die Angst, weil nicht alle Eltern wissen, ob sie ihre Söhne in einem Leichensack oder lebendig wiederbekommen. Das macht die Situation unerträglich.
Wird eine Wiederannäherung mit den Palästinensern jetzt möglich?
Drei Aspekte machen das sehr schwierig: Erstens die Tatsache, dass am 7. Oktober Tausende von palästinensischen Zivilisten mit geplündert und mit gemordet haben. Zweitens gibt es Umfragen, wonach 70 bis 80 Prozent der Menschen im Gazastreifen gut fanden, was die Hamas gemacht hat. Und drittens bejubelte ein Mob von palästinensischen Zivilisten die entwürdigende Behandlung der Geiseln bei den letzten Freilassungen. Der 80-jährige Gadi Moses wurde bei seiner Befreiung von Zivilisten geschlagen! Mit diesem Wissen, welche radikalisierte Wut sich dort aufgebaut hat, ist es schwer, in die alte Naivität zurückzufallen: Die Hamas ist weg, jetzt können wir endlich Frieden machen. Die Frage ist: Wer sind die Palästinenser? Werden sie die blutige Arbeit der Hamas fortsetzen?
Traut man Trump zu, die Sicherheit Israels zu garantieren?
Wir müssen unterscheiden zwischen Sicherheit und Frieden. Die militärischen Erfolge Israels im Libanon und im Iran, aber auch der Regimewechsel in Syrien bringen uns mehr Sicherheit. Da gibt es ein gutes Zusammenspiel mit der Trump-Regierung. Es gibt zudem die Hoffnung, dass noch mehr moderate arabische Staaten ihre Beziehungen zu Israel normalisieren.
Und was ist mit dem Westjordanland?
Die meisten Israelis wünschen den Palästinensern in fernerer Zukunft einen eigenen Staat. Aber wir dürfen nicht vergessen, was passiert ist, als die Palästinenser 2005 im Gazastreifen de facto einen eigenen Staat bekommen haben: Daraus wurde kein Staat, sondern eine Terror-Basis geschaffen, von wo aus auf Israels Süden geschossen wurde und wo der 7. Oktober geplant wurde, das schlimmste Massaker an Juden seit dem Holocaust. Solange die Palästinenser keinen jüdischen Staat an ihrer Seite akzeptieren, bleibt die Zwei-Staaten-Lösung eine bizarre Obsession seitens der westlichen Staaten.
Welche Zukunft sehen Sie für die Palästinenser?
Sobald die Hamas wirklich endgültig weg, der Gazastreifen entmilitarisiert ist und eine neue zivile und konstruktive Regierung eingesetzt wird, können wir langfristig planen. Dazu gehört Deradikalisierung: Dass Kinder nicht mehr in der Schule lernen dürfen, dass Juden töten das wichtigste Ziel in ihrem Leben sein soll! Wenn dort Kliniken, Schulen und Moscheen instrumentalisiert werden, um antisemitisches und antiwestliches Gedankengut zu verbreiten, kann man nicht auf Unabhängigkeit für die Palästinenser hoffen.
Wird es jetzt Neuwahlen in Israel geben?
Das ist für uns im Moment der Rückkehr der Geiseln zweitrangig. Die sehr gute Zusammenarbeit zwischen Netanjahu und Trump muss jetzt erst einmal genutzt werden, um die Gaza-Waffenruhe zu sichern.
Wie sehr hat der Selbstmord von Roei Shalev, eines der Überlebenden des Hamas-Terrors, Israel getroffen?
Es war ein erschreckender Moment, als uns diese Nachricht erreicht hat. Viele der Überlebenden haben zwei Jahre nach diesem Horror nicht die Kraft, mit der Bestialität dieses Massakers umzugehen. Wir gehen jetzt mit viel Hoffnung, auch mit einem Lächeln in die nächsten Tage. Aber das wirkliche Trauma, der wirkliche Kampf, vor allem für die direkt Betroffenen, beginnt erst jetzt.