Woher nehmen? Kanzler Friedrich Merz und Gesundheitsministerin Nina Warken. © dpa
Berlin – Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat keinen leichten Job. Die 46-Jährige ist angetreten, um einzusparen. Nicht schon wieder sollen die Beitragszahler noch stärker belastet werden, nachdem es erst Anfang dieses Jahres eine Welle kräftiger Erhöhungen der Zusatzbeiträge gegeben hatte, die die Kassen je nach Finanzlage festlegen. Doch das Geld ist knapp. Noch klafft trotz geplanter Finanzspritzen für 2026 eine Lücke von zwei Milliarden Euro. Bis Mitte Oktober will die Ministerin Klarheit, wie sie sie schließen kann.
Deutschland hat eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt. Mehr als 300 Milliarden Euro schütten die fast 100 deutschen Krankenkassen jährlich aus. Nun wird klar, wo Warken sparen will. So sollen 100 Millionen Euro an Verwaltungskosten der Kassen verzichtbar sein, wie aus einem Entwurfspapier hervorgeht – bei Porto oder Werbeaktionen lässt sich das offenbar machen. Eine verringerte Einzahlung in einen Innovationsfonds soll weitere 100 Millionen Euro einsparen.
Zudem soll bei der Vergütung der Krankenhäuser eingespart werden. Oliver Blatt, Chef der Gesetzlichen Krankenversicherung, erläuterte, der Anstieg der Zahlungen an die Kliniken solle auf die Höhe des tatsächlichen rechnerischen Kostenanstiegs begrenzt werden. „Das ist ein ebenso wichtiger wie überfälliger Schritt.“ Keinem Krankenhaus werde etwas weggenommen, der Einnahmeanstieg aber auf ein angemessenes Maß begrenzt. Dafür solle eine Klausel wegfallen, die Kliniken im nächsten Jahr 1,7 Milliarden Euro an ungerechtfertigten Zusatzeinnahmen verschafft hätte. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft protestiert und wirft der Regierung „Wortbruch“ vor. Erst vor zwei Jahren sei eine Regelung eingeführt worden, wonach Kliniken einen vollen Inflationsausgleich für gestiegene Kosten erhalten. Wenn die Ministerin dies jetzt wieder abschaffe, schicke sie die Krankenhäuser erneut massiv in einen „kalten Strukturwandel“.
Darüber hinaus berichtet „Bild“ über eine Sparliste, die Warken dem Koalitionsausschuss vorgelegt habe. Neben den geschilderten Vorhaben habe darauf auch der Plan gestanden, die Zuzahlungen für die 75 Millionen gesetzlich Versicherten zu erhöhen. Bedeutet laut „Bild“: Für verschreibungspflichtige Medikamente (aktuell fünf bis zehn Euro), Krankenhaus und Reha (zehn Euro/Tag), Physiotherapie und häusliche Krankenpflege (zehn Prozent der Kosten, plus zehn Euro/Rezept), Fahrtkosten (fünf bis zehn Euro) müssten Patienten 50 Prozent mehr zahlen. Der Vorschlag sei aber zunächst gestoppt worden, da er besonders Menschen mit geringen und mittleren Einkommen belastet hätte.
Die Zeit drängt. Am kommenden Mittwoch tagt das Kabinett – und ein Schätzerkreis legt seine Prognose für die Finanzentwicklung der Kassen für 2026 vor. Sie ist eine wichtige Orientierung dafür, ob neue Beitragsanhebungen nötig sind. Dazu kommt: Auch bei der Pflege, die auch in Warkens Ressort fällt, klafft eine Lücke.
Über die kurzfristige Problematik hinaus sollen Kommissionen Lösungen finden, wie die Systeme reformiert werden könnten. Zur Pflege soll es schon bald erste Ergebnisse geben, zum Gesundheitssystem wird im kommenden Jahr damit gerechnet.
Kassenärzte-Chef Andreas Gassen hat noch einen eigenen Vorschlag zur Entlastung des Gesundheitssystems vorgelegt. Die Idee: Arbeitnehmer sollten generell erst ab dem vierten Tag zum Arzt müssen, um sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu holen. Damit ließen sich abertausende Arztbesuche einsparen, die medizinisch nicht zwingend nötig wären, sagte Gassen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch bei Kindern solle nachgesteuert werden – hier ist die Krankschreibung sogar ab dem ersten Tag Pflicht. „Durch den Verzicht auf diese Bescheinigung bei kurzer Krankheitsdauer könnten, insbesondere in Zeiten mit hohem Infektionsgeschehen, sowohl die kinderärztlichen Praxen als auch die Eltern der erkrankten Kinder deutlich entlastet werden“, sagte Gassen. Politisch geht die Entwicklung allerdings eher in die andere Richtung. Union und SPD haben etwa vereinbart, Online-Krankschreibungen über Plattformen abzuschaffen.MIT DPA