KOMMENTARE

Ein Tag der Erlösung

von Redaktion

Hoffnung auf Frieden

Manchmal ist die Welt ein guter Ort, wenn auch nur für einen Augenblick. Nach zwei Jahren eines Martyriums, in das sich niemand wirklich hineindenken kann, sind gestern die letzten lebenden israelischen Geiseln heimgekehrt. Für sie und ihre Angehörigen wird es ein Moment tiefster Erlösung gewesen sein. Man kann nur beten, dass für die 20 Männer nach dem Leid wieder so etwas wie ein Leben beginnen kann.

Auch für Israel und den Nahen Osten ist es ein Moment ungekannter Erleichterung. Nun ist vieles möglich und vermutlich gebieten es Demut und Respekt vor dem Erreichten, vorerst an die Chancen zu denken und nicht an die Fallen, die zweifelsohne überall lauern. In diesen nach wie vor ungelösten Konflikt ist eine Dynamik gekommen, die bis vor einigen Wochen beinahe undenkbar schien. Zu verdanken ist das tatsächlich dem in vielerlei Hinsicht kritikwürdigen US-Präsidenten, der das Kunststück vollbrachte, sowohl Israels Premier Benjamin Netanjahu als auch die Hamas zur Räson zu rufen.

Und trotzdem ist das Ende des Krieges, für das Trump sich feiern lassen will, bisher nur eine Fantasie. Die Einigung zwischen Israel und der Hamas hat wichtige Punkte ausgeklammert, etwa die essenzielle Forderung einer Entwaffnung der Terrororganisation. Freiwillig wird das nicht passieren, denn für die Schlächter des 7. Oktober geht es um das nackte Überleben. Aber es gibt in dieser Sache kein Verhandeln: Solange die Hamas existiert, bleibt nicht nur die Wiederherstellung des Sicherheitsgefühls in Israel undenkbar, sondern auch die Perspektive für eine wie auch immer gestaltete Koexistenz von Israelis und Palästinensern.

Ähnlich weit entfernt wie ein dauerhafter Frieden liegt die Heilung jener Wunde, die der Hamas-Terror in Israel geschlagen hat. Der gestrige Tag könnte ein Beschleuniger sein, ein Katalysator für die Aufarbeitung – dafür müsste aber auch politisch etwas passieren. Nicht nur Regierungskritiker in Israel wissen, dass Netanjahu und seine Regierung einen Anteil daran haben, dass der 7. Oktober geschehen konnte. Bisher ist das folgenlos geblieben.

Es werden größte Anstrengungen nötig sein, damit der Funken Hoffnung nicht gleich wieder erlischt. Im besten Fall ist der 13. Oktober ein Auftakt. MARCUS.MAECKLER@OVB.NET

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