Bröckelt die Brandmauer doch?

von Redaktion

„Nach der kurzen Ära Merz“ sei die CDU ein Partner für sie, sagt AfD-Chefin Alice Weidel. Für manche in der Union scheint das auch zu gelten. © Picture Alliance

Berlin/München – Einen Tag wie diesen wünscht sich die AfD schon lange. „Die Union wird sich uns nicht mehr verweigern können“, sagte Parteichefin Alice Weidel am Mittwoch dem Magazin „Stern“. Die 46-Jährige sieht die sogenannte Brandmauer, die CDU und CSU zu ihrer Partei gezogen haben, bröckeln. Anlass dazu geben ihr ausgerechnet drei ehemals führende Unions-Leute, die eine Kursänderung im Umgang mit der AfD fordern.

Darunter ist überraschenderweise auch Peter Tauber, CDU-Generalsekretär in der Ära Merkel. „Die derzeitige Stigmatisierung hilft der AfD nur noch“, sagte Tauber dem Magazin. Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sprang ihm bei: „Entzauberung gelingt nicht durch Boykott.“ Auch der frühere Chef der CDU-Grundwertekommission, der Historiker Andreas Rödder, schloss sich an.

Tauber forderte eine Öffnung für eine sachpolitische Zusammenarbeit mit der AfD: Die Union müsse „über eine neue Politik der roten Linien nachdenken, die es dann aber auch erlaubt, Beschlüsse zu fassen, denen die AfD zustimmt“. Die AfD werde nicht dadurch geschwächt, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck herrsche: „Alle gegen die AfD“. Angesichts der Stärke der AfD gerade im Osten warnte Tauber vor „parlamentarischen Blockaden“, ein neuer Umgang sei deshalb „staatspolitisch notwendig“. Er müsse aber von einer Vereinbarung aller Parteien flankiert werden, „sodass nicht bei jedem Beschluss, der mit Stimmen der AfD zustande kommt, die Nazikeule geschwungen wird“.

Auch Guttenberg rief die Union zu einem neuen Kurs auf und forderte eine „inhaltliche Konfrontation“. „Wovor haben wir Angst?“ Bei vielen AfD-Funktionären handele es sich um „intellektuelle Flachwurzler“. Grundlegend solle die CDU aber am Unvereinbarkeitsbeschluss von 2018 festhalten.

Die Debatte über die Brandmauer ist nicht neu. Erst im Januar war sie aufgeflammt, als die Union im Bundestag versuchte, einen Migrationsantrag mithilfe der AfD durchzudrücken. Überraschend sind diesmal allerdings die Protagonisten. Tauber war lange Jahre ein Vertrauter von Altkanzlerin Angela Merkel.

Aus dem liberalen CDU-Lager kam gestern prompt Widerspruch. „Wir haben eine klare Haltung gegenüber der AfD, an der wird sich nichts ändern“, sagte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther. Es existiere „keine gemeinsame Wertebasis, keine Schnittmenge und keine Mehrheit“ mit der AfD. Vize-CDU-Chefin Karin Prien nannte die AfD „das genaue Gegenteil von bürgerlich“. Unions-Parlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger (CDU) sagte dem Magazin „Cicero“: „Mit so einer Partei können und dürfen wir nicht zusammenarbeiten.“

Auch in der CSU hält man den Vorstoß von Tauber, Guttenberg und Rödder für völlig falsch. „Die Brandmauer ist kein Dogma, sondern mit Blick auf die aktuelle Ausrichtung der AfD schlicht notwendig“, sagte CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek unserer Zeitung. Wer die Partei im bayerischen Landtag erlebe, wisse, dass dort „die Radikalen das Sagen haben“. Deshalb verbiete sich jede Zusammenarbeit. „Wir sind nicht die Steigbügelhalter der AfD.“ Ähnlich äußerte sich CSU-Generalsekretär Martin Huber: „Wir werden die AfD weiter inhaltlich stellen, politisch bekämpfen und ihr mit vernünftiger Politik den Nährboden entziehen.“ AFP/MMÄ/HOR

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