KOMMENTARE

Maue Ratschläge aus dem politischen Off

von Redaktion

Muss die Brandmauer weg?

Ist das nicht verrückt? Kürzlich forderten ausgerechnet Horst Seehofer und Erwin Huber eine Annäherung an die Grünen, um der AfD zu begegnen – jetzt ist es ausgerechnet der Merkel-Verbündete Peter Tauber, der an der Brandmauer nach rechts kratzt. Man kann daraus jene strategische Ratlosigkeit ablesen, die alle Parteien der Mitte plagt und bis hin zu Verbotsrufen von links reicht. In allen liegt die bittere Vermutung, dass es die Mitte aus eigener Kraft nicht schafft, den AfD-Aufstieg zu stoppen. Der Blick auf Schwarz-Rot zeigt: Unbegründet ist die Furcht nicht.

Taubers aktueller Vorschlag, künftig inhaltliche rote Linien zu ziehen, statt die AfD zu isolieren, mag auf manche wie die vernünftige Antwort auf die politischen Verschiebungen wirken. Die AfD, die sich seit Monaten zahm gibt (in großen Teilen aber nicht so denkt), biss gestern ja auch gleich an. Aber selbst wenn man kurz vergäße, dass die Partei Rechtsextremen Platz und Bühne bietet und, liebe Union, nicht mit euch regieren, sondern euch ersetzen will, muss man feststellen, dass die Rechten denkbare rote Linien immer wieder reißen.

Das war erst am Dienstag zu beobachten, als sich die AfD aus der Wehrdienst-Debatte verabschiedete, weil sie keine gemeinsame Position zustande brachte. Das Putin-hörige Höcke-Lager hatte sich mit aller Kraft – und übrigens auch im völligen Widerspruch zum eigenen Grundsatzprogramm – gegen einen Antrag zur Wiedereinsetzung der Wehrpflicht gestemmt. Man hätte das mit „Patrioten gegen Landesverteidigung“ betiteln können, wenn es nicht so ernst wäre. Legt man die Kriterien an, die EVP-Chef Manfred Weber für eine Zusammenarbeit mit Rechts-Parteien definiert hat (pro EU, pro Rechtsstaat, pro Ukraine), fällt die AfD noch immer krachend durch.

Keine Strategie im Umgang mit der sogenannten Alternative ist risikofrei und spätestens bei den nächsten Ost-Wahlen könnte sich die Situation ergeben, dass an den Rechten vorbei nichts mehr geht. Das kann aber nicht bedeuten, quasi vorauseilend in die Knie zu gehen. Tauber, selbst längst im politischen Off, hätte die AfD besser anders, fordernd adressiert: Hört auf, euch an Russland zu ketten, löst euch von euren extremen Remigrations-Fantasien, stellt die Höcke-Bande kalt. Passierte das, so realistisch muss man wohl sein, würde die Debatte in der Union anders laufen.

Artikel 1 von 11