Tränen! Streit! Drama! Wirklich? Dass die SPD-Fraktion in letzter Minute die Pläne für ein Losverfahren zur Musterung gebremst hat, kann man guten Gewissens auch gelassen betrachten. Genau da, wo solche Debatten ergebnisoffen geführt werden sollten, also unter den Abgeordneten des Bundestags, gibt es keinen Konsens für die Lotto-Wehrpflicht. Das ist gut so, denn die Idee, die Landesverteidigung zum Glücksspiel zu machen, war und ist Unsinn. Es muss also neu überlegt werden, vielleicht ein paar Tage, vielleicht drei Wochen. Falls am Ende was Besseres rauskommt, war das kein Drama-Streit-Tag, sondern ein Gewinn durch einen demokratischen Prozess. Was übrigens so ähnlich auch für die Renten-Debatte gilt.
Das realpolitisch entscheidende Nein zum Wehrpflicht-Kompromiss kam natürlich von Verteidigungsminister Boris Pistorius, SPD. Er weiß als Fachpolitiker: Wer es ernst meint mit dem Aufbau einer Verteidigung, muss mustern. Alle. Kurioserweise ist er da inhaltlich den Koalitionspartnern CDU und CSU viel näher als weiten Teilen der SPD, wo man ihm diese flächendeckende Musterung wieder streichen will. Deshalb sollte die Union den Los-Kompromiss loslassen und an Pistorius‘ Seite neu nach einer guten Lösung suchen. Ein attraktiv bezahlter Dienst mit Extra-Anreizen, zum Einstieg Freiwilligkeit, aber auch klare Kriterien, wann und nach welchem Maßstab eine Pflicht greift, sind dabei die richtigen Elemente.