Scharfe Töne Richtung Moskau

von Redaktion

Beistand aus Berlin: Friedrich Merz will die Verteidigungsfähigkeit Kiews „über Jahre hinaus“ sichern. © Macdougall/dpa

München – Es kommt nicht so oft vor, dafür dauert es diesmal umso länger. Friedrich Merz zählt im Bundestag gerade die Instrumente hybrider Kriegsführung auf, mit denen Russland den Westen zu destabilisieren versuche, und als er bei Spionage ankommt, wendet er sich nach rechts zur AfD: „Auch aus ihren Reihen.“ Das bringt ihm viel Applaus, sogar von den Grünen, eigentlich einem Lieblingsgegner. Britta Haßelmann, als Fraktionsvorsitzende eine der obersten Merz-Kritikerinnen, spendet großzügig Beifall, bricht kurz ab, setzt wieder ein, weit über ein pflichtschuldiges Maß hinaus.

Ein gemeinsamer Gegner verbindet, das gilt für die AfD wie für Russland. Es sei allein der Kreml, erinnert der Kanzler, der „mit immer größer werdender Skrupellosigkeit“ agiere. Dieser „Offensive der Verunsicherung“ müsse man mit stetig wachsendem Druck begegnen, um den Aggressor endlich zu Verhandlungen im Ukraine-Krieg zu bewegen. „Putin muss erkennen, dass ihn dieser Krieg teurer zu stehen kommt als ein verhandelter Frieden“.

Die Regierungserklärung, die Merz gestern hält, zielt auf den EU-Gipfel in der kommenden Woche ab. Auch in Brüssel wird der Kanzler noch mal für die Idee werben, eingefrorene russische Vermögen als zinslose Kredite an die Ukraine zu nutzen, damit die sich besser rüsten kann. „Wir unterstützen den mutigen Abwehrkampf der Ukrainer so lange wie nötig.“ Die 140 Milliarden Euro, die dafür vorgesehen sind, sollen die militärische Verteidigungsfähigkeit Kiews „über Jahre hinaus sichern“.

Auf EU-Ebene ist dieser Plan bisher nicht Konsens, es kann noch Monate dauern bis zu einer Umsetzung, wenn sie denn kommt. Aber er gibt schon jetzt eine Richtung vor. Die Signale Richtung Moskau werden eindeutiger. Die hybride Offensive der Russen in den vergangenen Wochen scheint die Entschlossenheit des Westens zu stärken, dem Treiben aktiver zu begegnen. Nicht nur in Brüssel und den großen Hauptstädten, auch in Washington.

Heute ist dort mal wieder Wolodymyr Selenskyj zu Besuch bei Donald Trump. Seit den schlimmen Szenen Ende Februar, als der ukrainische Präsident im Oval Office rüde attackiert und schließlich rausgeschmissen wurde, sind Treffen zwischen den beiden Hochrisikotermine gewesen. Bei Selenskyjs Besuch im Sommer begleiteten ihn mehrere europäische Regierungschefs, auch Merz, quasi als Verstärkung. Diesmal kommt Selenskyj ohne ausländischen Beistand.

Zuletzt schien es so, als habe auch der US-Präsident umgedacht. Seine Enttäuschung über Putin, der partout nicht über Frieden verhandeln will, baut er ständig in seine Reden ein. Andeutungen, die USA könnten der Ukraine nun tatsächlich Tomahawk-Marschflugkörper mit großer Reichweite liefern, nehmen ebenfalls zu. Das hat man allerdings auch im Kreml bemerkt und am Donnerstagabend, kurz vor Selenskyjs Besuch, eine Charmeoffensive bei Trump gestartet.

In einem Telefonat gratulierte Putin dem US-Präsidenten zu dessen Erfolgen im Nahen Osten, auch ein erneutes Treffen vereinbarten die beiden. Es soll in der ungarischen Hauptstadt Budapest stattfinden, der Zeitpunkt ist noch unklar. Trump klang nach dem Telefonat geradezu beschwingt. Für Kiew ist das nicht unbedingt eine gute Nachricht – die Lieferung von Tomahawks ist jedenfalls seit gestern nicht wahrscheinlicher geworden.

Putins Berater Juri Uschakow erklärte am Abend, der Kreml-Chef habe Trump gegenüber wiederholt, dass die Lieferung von Tomahawk-Raketen für die Ukraine die Situation auf dem Schlachtfeld nicht ändern werde. Gleichzeitig würde dies den US-amerikanisch-russischen Beziehungen und den Aussichten auf eine friedliche Lösung „wesentlichen“ Schaden zufügen. Trump, das weiß man, lässt sich durch so etwas durchaus beeindrucken.

Für Selenskyj bleiben die Tomahawks umso mehr das „Hauptthema“, wie ein hoher Beamter bestätigte. Eine Delegation reiste zur Vorbereitung in die USA und traf Vertreter der Rüstungsindustrie. So sei die Lieferung von Patriot-Abwehrsystemen „natürlich“ ein Thema, sagte der Beamte. Für heute erwartet er keine Eskalationen. Der Ton zwischen Weißem Haus und Kiew sei „sehr sachlich“. Immerhin.

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