Freie Wähler: Krise, welche Krise?

von Redaktion

München – Den Brief an Donald Trump hat Hubert Aiwanger nie abgeschickt. Auf seiner USA-Reise Anfang Juli hatte der stellvertretende bayerische Ministerpräsident angekündigt, nach Washington zu schreiben, um im Zoll-Konflikt positiv auf Trump einzuwirken. Doch das Vorhaben zog sich – und die EU erzielte eine Einigung, bevor das Schreiben fertig war.

Dass Aiwanger gerne mal zum Briefpapier greift, wenn es Probleme gibt, wurde aber drei Monate später erneut Thema. Es reiche nicht, Protestschreiben nach Berlin zu schicken, kritisierten DGB und IG Metall Bayern den Wirtschaftsminister. Aiwanger keilte zurück.

Doch nicht nur die Gewerkschaften scheinen zuletzt nicht ganz zufrieden mit dem Freie-Wähler-Chef. Bereits im Februar ging der Plan, die Partei über den Umweg von drei gewonnenen Direktmandaten in den Bundestag zu hieven, gründlich daneben. Nicht einmal Aiwanger selbst gewann seinen Wahlkreis, er wurde Dritter – hinter der CSU und der AfD. Dass er – den die CSU für eine bayerische Zustimmung im Bundesrat brauchte – dann nach kurzem Widerstand noch zähneknirschend die gigantische Schuldenaufnahme im Bund hinnahm, dürften ihm nicht nur in den Sozialen Medien manche Sympathisanten übel genommen haben.

Seit gut einem Jahr sind auch die Umfragewerte abgesackt. Mal zehn Prozent in Bayern, mal elf – alles weit weg von den fast 16 Prozent bei der Landtagswahl. Klar, immerhin noch auf Augenhöhe mit den ebenfalls zurückgefallenen Grünen und ein gutes Stück vor der SPD. Aber eben auch weit hinter der AfD, die an der 20-Prozent-Hürde kratzt, und offenbar einige ehemalige Aiwanger-Wähler gewonnen hat.

Aus Sicht der Freien Wähler alles nicht sehr erbaulich, könnte man vermuten. Generalsekretärin Susann Enders widerspricht allerdings vehement. Die Umfragen seien „überhaupt nicht unerfreulich“, sagt sie unserer Zeitung. Es sei schließlich mitten in der Legislatur – die nächste Landtagswahl steht 2028 an – „und wir halten die Stellung im zweistelligen Bereich“. Zudem gelte das ungeschriebene Gesetz, dass die Freien Wähler bei tatsächlichen Wahlen immer noch etwas besser abschneiden als in Umfragen. Man fokussiere sich auf die Sacharbeit, sagt Enders. „Das kommt in den Medien oft nicht so an, wie wenn jemand Parolen schreit.“

Aiwanger, Parolen stets abgeneigt, will erwartungsgemäß Landeschef bleiben, wenn am nächsten Wochenende in Straubing die Partei zur Landesversammlung zusammenkommt. Ob es bei seinen Stellvertretern Veränderungen geben könnte, galt noch als offen. Enders will zu all dem nicht viel sagen.

Abgesehen von seinem Weitermachen will auch der Freie-Wähler-Chef offenbar lieber nicht vertieft über die Landesversammlung oder die aktuelle Lage sprechen. Eine Gesprächs-Anfrage unserer Zeitung ließ er ins Leere laufen, genauso übrigens wie der sonst durchaus kommunikative Digitalminister Fabian Mehring, dem größere Ambitionen in der Partei nachgesagt werden.

Einen Eindruck, wie es tatsächlich um das Selbstbewusstsein der Freien Wähler steht, könnte es im November geben. Dann steht erneut die Schuldenfrage an. Diesmal in Bayern.SEBASTIAN HORSCH

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