Europa will Schlimmeres verhindern

von Redaktion

Vor dem EU-Gipfel: Wolodymyr Selenskyj (M.) mit EU-Ratspräsident Antonio Costa (l.) und Kommissionschefin Ursula von der Leyen gestern in Brüssel. © dpa

München – Ein tauglicher Leitsatz für den Umgang mit Donald Trump bleibt dieser: Man sollte ihn nicht wörtlich, aber ernst nehmen. Wenn der US-Präsident die Welt also gerade wissen lässt, dass er nicht an einen Sieg der Ukraine glaube, nachdem er sie vor Kurzem erst zur Rückeroberung ihres ganzen Territoriums ermutigt hatte, muss man das nicht als Prognose verstehen. Eher schon als Ausdruck seiner aktuellen Stimmung. Die heißt: Er will Ruhe im Karton, unbedingt.

Das Problem: Wie schon früher setzt der US-Präsident nicht den Angreifer, sondern das Opfer unter Druck. Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj soll er zuletzt auf Betreiben Putins gedrängt haben, den ganzen Donbass in der Ost-Ukraine aufzugeben. Für die Ukraine wäre das militärisch eine Katastrophe, weil die Russen dann quasi kampflos wichtige Verteidigungslinien überwinden könnten. In Europa wächst nun die Sorge, Trump könnte sich wieder auf die Seite von Kremlchef Wladimir Putin schlagen. Das Thema dürfte den morgigen EU-Gipfel in Brüssel dominieren.

Da Widerspruch bei Trump nicht gut ankommt, versucht man es mit einer Art korrigierender Zustimmung. Schon gestern veröffentlichten mehrere EU-Führer, darunter auch Kanzler Friedrich Merz, eine Erklärung, in der sie sich hinter die jüngste offizielle Trump-Forderung stellen, den Krieg an der Frontlinie einzufrieren – allerdings ausdrücklich „nur“ als Ausgangspunkt für Verhandlungen. Putin setze weiterhin auf „Gewalt und Zerstörung“, seine „Verzögerungstaktiken“ hätten gezeigt, dass er keinen Frieden wolle. „Deswegen machen wir deutlich, dass die Ukraine in der stärkstmöglichen Position sein muss – vor, während und nach einem Waffenstillstand.“

Dazu soll der Druck auf Russland und seine Wirtschaft weiter erhöht werden. Neben einem neuen Sanktionspaket will die EU den Plan forcieren, das vor allem in Belgien eingefrorene russische Vermögen zur Unterstützung der Ukraine zu nutzen. Sowohl EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen als auch später Kanzler Merz hatten Vorschläge dazu gemacht. Bis zu 140 Milliarden Euro soll die Ukraine demnach als zinslosen Kriegskredit bekommen. Moskau könnte nur dann auf Rückzahlung hoffen, wenn es der Ukraine Kriegsreparationen zahlt.

Mit dem Geld könnte Kiew Waffen im Ausland kaufen und eigene, noch nicht ausgeschöpfte Produktionskapazitäten nutzen. Das Signal an den Kreml wäre klar: Das Spiel auf Zeit lohnt nicht. Zwar gibt es Bedenken, der Finanzplatz Europa könnte Schaden nehmen. Unter anderem Belgien ist skeptisch, könnte aber – so die Hoffnung – heute zumindest dem Vorantreiben des Plans zustimmen.

Es wäre auch ein Zeichen an Trump, dessen erneute Ukraine-Kehrtwende die Europäer in Aufregung versetzt. Wieder müssen sie sich darum bemühen, den US-Präsidenten im Spiel zu halten. Dabei sah es bis vor einer Woche noch so aus, als habe Trump Putins Spiel durchschaut. Es war offenbar eine falsche Hoffnung.

Kein baldiges Treffen von Trump und Putin

Vor allem in Osteuropa ist die Sorge groß, Trump könnte Gebietsabtretungen an Russland zustimmen und die Ukrainer im Anschluss zum Abnicken drängen. Unbegründet ist das nicht. Berichten zufolge soll Selenskyjs entsprechende Versuche Trumps am Freitag abgelehnt haben, die Folge: Wutausbruch des Republikaners.

Dem schwebt keine sorgfältige, sondern eine schnelle Lösung vor, wie im Nahen Osten. Moskau aber will das Gegenteil und schlägt Trumps Vorschlag in den Wind. Außenminister Sergej Lawrow lehnte ein Einfrieren der Gefechte ab. Auch aus Washington gab es ernüchternde Nachrichten. Für ein Treffen von Trump und Putin „in unmittelbarer Zukunft“ gebe es „keine Pläne“, sagte ein Beamter.MIT DPA

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