WIE ICH ES SEHE

Ein zerbrechliches Glück …

von Redaktion

England ist immer noch das Land mit prächtigen Landsitzen. Die großen Familien haben oft über Jahrhunderte dort ihr Glück bewahrt. Wir kennen das aus der Fortsetzungsserie „Downton Abbey“.

Weitläufige Landhäuser mit alter Bausubstanz zu unterhalten, ist heute ein teures Hobby. So ist es kein Wunder, dass sie häufig zum Verkauf stehen. Die einschlägige Zeitschrift dazu, „Country Life“, bietet jede Woche Dutzende solcher Opportunitäten zum Kauf an. Die einstmals so bodenständige „Landed Gentry“ scheint sich inzwischen in modernen Häusern oder in den Städten einfach glücklicher zu fühlen.

Aber längst nicht alle Nachkommen der alten großen Familien mögen sich von ihrer Geschichte trennen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die historischen Häuser in ihren Bibliotheken und Kammern immer wieder großartige Schätze offenbaren, die zu erhalten mehr als eine sittliche Verpflichtung ist.

So war gerade auch in der letzten Ausgabe von „Country Life“ zu lesen, dass Peter Frost-Pennington, der heutige Herr von Muncaster Castle in Nordengland, das „Glück von Muncaster“ mit Ehrfurcht hütet. Es ist eine Glasschale aus dem 15. Jahrhundert, die vermutlich in Venedig gefertigt wurde. Kein Geringerer als der König Heinrich VI. hat sie 1464 der Familie Pennington geschenkt, mit dem Versprechen, dass es der Familie immer gu tgehen solle, solange sie das kostbare Glas unzerbrochen bewahrt. Dies geschieht in einem hölzernen Kasten mit einer Inschrift aus dem 17. Jahrhundert, in der es heißt: „Dieses Glück des Hauses hat der Heilige König Harry gegeben.“ Das bekannteste Beispiel aber von Glück und Glas bleibt das legendäre „Glück von Edenhall“, ein aus dem 13. Jahrhundert stammendes syrisches Glasgefäß. Der deutsche Dichter Ludwig Uhland hat 1834 darüber eine Ballade gemacht, wonach der junge Lord von Edenhall das Familienglück zerstört. Bei einem wüsten Gelage zerschlägt der junge Herrscher angetrunken das Glas. Noch in selbiger Nacht fällt er in die Hand seiner Feinde, das Schloss wird zerstört.

Uhland aber hat das frei erfunden. Das wirkliche Glück von Edenhall kann nämlich im Victoria and Albert Museum in London noch heute besichtigt werden. Seit 1958 ist das früher der Familie Musgrave auf Edenhall in Cumberland, England, gehörende Glas Nationaleigentum. Auch diese Familie also hat ihren Besitz nicht halten können, weil sozialistische Regierungen in den 50er-Jahren des vorigen Jahrhunderts diese Landsitze mit übermäßigen Erbschaftssteuern belastet haben.

In unserem Sprachgebrauch ist der Zusammenhang von Glas und Glück in dem Satz geprägt: „Glück und Glas, wie leicht bricht das.“ Man sagt aber auch „Scherben bringen Glück“. Wir üben das eifrig am sogenannten Polterabend vor einer Hochzeit, wo Glas und Porzellanscherben dem jungen Paar Glück und viele Kinder bescheren sollen. Im Norden Englands aber werden auf Schlössern immer noch Glasschätze gehütet. Goethe meinte dazu: „Wer bewahret und erhält – hat das schönste Los erkoren …“

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