Milliarden im falschen Moment

von Redaktion

Wie groß ist die Torte für den Freistaat noch? Finanzminister Albert Füracker (l.) und sein Chef Markus Söder, hier vor einigen Tagen beim Festakt 175 Jahre Bavaria. © Yannick Thedens

München – Für einen Finanzminister, der gerade frische Milliarden bekommen hat, wirkt Albert Füracker bemerkenswert düster. „Kein Anlass für Euphorie“, sagt er mehrfach. „Die Lage bleibt schwierig. Die Spielräume, die sich mancher erhofft hat, bleiben aus.“ Füracker, 57, in seinem achten Jahr als Bayerns oberster Kassenhüter, weiß recht genau, was in den nächsten Tagen auf ihn einprasseln wird: Ausgabenwünsche. Ohne Ende.

Die Steuerschätzung, die er am Freitag vorlegt – Experten sagen die Einnahmen des Staates voraus –, ist eigentlich positiv. 2025 läuft für Bayern nach Plan. 2026 fließen 1,5 Milliarden Euro mehr als bisher erwartet in Fürackers Kasse, 2027 sogar 1,8 Milliarden. Zum Vergleich: Pro Jahr gibt Bayern fast 77 Milliarden Euro aus, eine Milliarde hin oder her ist also spürbar.

Dass Füracker, von Natur aus ein bodenständiger Oberpfälzer, keine Freude erkennen lässt, hat einen klaren Grund: Die gute Nachricht kommt zum schlechten Zeitpunkt. Nächste Woche stehen die Verhandlungen über den kommunalen Finanzausgleich an, aktuell schon ein Zwölf-Milliarden-Gesamtpaket. Seit Monaten ächzen die Landräte und Bürgermeister, berichten von Rekorddefiziten. Im März ist Kommunalwahl – wer wagt es, jetzt Wünsche abzuschlagen? Wo nun alle Welt erfährt, dass Bayern höhere Steuereinnahmen hat, droht Füracker eine sehr, sehr teure Verhandlung. Überweist er bald 13, 14 Milliarden?

Mehr noch: Im Hintergrund wird an Bayerns Schuldenbremse gerüttelt. Mit wenigen Ausnahmen – Landesbank-Rettung, Corona-Krise – macht Bayern seit Stoibers Zeit keine Schulden mehr. Das steht sogar so in der Verfassung. Die Schulden-Orgie von hunderten Milliarden Euro im Bund (liebevoll „Sondervermögen“ getauft) öffnet für die Länder aber ein Fenster, auch eigene Kredite aufzunehmen und die eigene Verfassung zu übergehen. Im Maximalfall zwei Milliarden Euro auf Pump pro Jahr wären für den Freistaat drin.

Fällt dann jede Haushaltsdisziplin? Füracker gilt als Gegner neuer Kredite. „Ich will keine neuen Schulden machen. Ich kann‘s aber nicht ausschließen“, windet er sich auf Nachfrage. Wie auch: Seinem Chef Markus Söder wird nachgesagt, den Kreditrahmen maximal nutzen zu wollen. Söder will investieren gegen die Krise, die Hightech-Agenda ausbauen, Kinderbetreuung verstärken, eine Drohnen-Abwehr in Bayern aufbauen. Schon längst eingeplant ist dabei, den Rest der Rücklage einzusetzen – wenn der Dezember gut läuft, dürften am Jahresende noch gut fünf Milliarden Euro übrig sein. Füracker verhandelt derzeit mit den Ministerkollegen über den Doppelhaushalt 2026/27, die Steuerschätzung macht ihm auch das nicht leichter.

In der CSU-FW-Koalition wird das noch Debatten geben. „Die Option der Schuldenbremse werden wir ernsthaft besprechen müssen“, sagt etwa Florian Streibl, der einflussreiche Fraktionschef der Freien Wähler, unserer Zeitung. „Zwar ist die Steuerschätzung besser als erwartet, aber die Kommunen stehen weiterhin mit dem Rücken an der Wand und wir werden alle Signale auf Wirtschaftswachstum stellen müssen.“ In der CSU-Fraktion gibt es indes Schulden-Kritiker unter den jüngeren Abgeordneten. Als erster wagt sich Manuel Knoll hervor, der neue Chef der Jungen Union. „Das muss jetzt Ansporn sein, das vorhandene Sparpotenzial zu nutzen und im Sinne der Generationengerechtigkeit ohne Neuverschuldung im neuen Doppelhaushalt auszukommen. Solide Finanzen sind und waren der Markenkern des Freistaats Bayern“, sagt er. Für 10./11. November hat Söder die entscheidende Haushaltsklausur angesetzt.

Artikel 1 von 11