„Ich bin der König“: Der ultraliberale Milei feiert in Buenos Aires sein Comeback bei den Kongresswahlen – mit dem Sieg hat er einen wichtigen Stimmungstest bestanden. © Robayo/AFP
München – Ob er selbst damit gerechnet hat? Javier Milei trägt diesmal nicht, wie sonst, Lederjacke – sondern Anzug und Krawatte. Auch sein Markenzeichen, die Kettensäge, hat er zu Hause gelassen. Doch Milei wäre nicht Milei, wenn er seinen Sieg nicht mit Gebrüll feiern würde. Als er auf die Bühne seiner Parteizentrale in Buenos Aires stürmt, singt er ein paar Zeilen eines Death-Metal-Songs, der inzwischen zu seiner Hymne geworden ist: „Ich bin der König einer verlorenen Welt!“ Nicht umsonst nennt man den Präsidenten in Argentinien „el loco“, den Verrückten.
Nun hat der Verrückte entgegen aller Erwartungen die Kongresswahlen gewonnen. Seine La Libertad Avanza (LLA) hat sich gut 40 Prozent der Stimmen gesichert – ein klarer Sieg für den selbst ernannten Anarchokapitalisten. Dabei standen alle Zeichen gegen ihn: Die Wirtschaft rutscht in die Rezession, Arbeitslosigkeit und Armut steigen – dazu kommen diverse Skandale, die Milei zuletzt schwer belastet hatten. All das hatte dazu geführt, dass Milei erst vor wenigen Wochen, bei den Provinzwahlen in Buenos Aires, eine bittere Niederlage erlitten hat. Und trotzdem darf der argentinische Präsident nun jubeln: „Heute beginnt der Aufbau eines großen Argentiniens“, ruft Milei am Sonntag seinen Anhängern zu. „Make Argentina great again!“
Der Spruch kommt nicht von ungefähr. Milei gilt als enger Freund von Donald Trump. Der US-Präsident hatte wohl keinen unerheblichen Anteil an Mileis Überraschungssieg. Nach Mileis Wahlschlappe bei den Provinzwahlen in Buenos Aires war der argentinische Peso abgestürzt. In einem ungewöhnlichen Schritt hat die US-Regierung daraufhin Pesos im Wert von 20 Milliarden Dollar gekauft – und weitere 20 Milliarden als Kredit angeboten, um Argentinien vor der nächsten schweren Währungskrise zu bewahren. Die Finanzspritze war allerdings an einen direkten Wahlsieg Mileis geknüpft: „Wenn er verliert, werden wir nicht mehr großzügig sein“, sagte Trump beim letzten Besuch Mileis im Weißen Haus. „Dann sind wir weg.“
Die Zwischenwahlen, bei denen die Hälfte der Sitze im Abgeordnetenhaus und ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben wurden, sind für beide Männer ein Erfolg: Milei verfügt von nun an über die nötigen Stimmen im Kongress, damit seine Vetos nicht mehr überstimmt werden können. Und er hat die Rückendeckung der Argentinier, den Staatsapparat noch entschlossener zu zersägen. Seit seinem Amtsantritt im Dezember 2023 hat seine Regierung zehntausende Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen, öffentliche Bauprojekte eingefroren sowie Ausgaben für Gesundheit, Bildung und Renten gekürzt.
Für Donald Trump wiederum ist Mileis Wahlsieg ein Triumph, weil er seinen Einfluss in Südamerika weiter ausbauen kann – und den Chinas zurückdrängt. „Die Rettungsaktion der USA war natürlich nicht kostenlos“, erklärt der argentinische Ökonom Andrés Musacchio von der Universität Buenos Aires gegenüber unserer Zeitung. „Argentinien zahlt mit seinen Ressourcen, insbesondere Lithium, Öl, Gas, Uran und Seltene Erden.“
Verlierer der Wahl sind derweil die Peronisten, die jahrzehntelang regiert haben und in der Bevölkerung weitgehend für die wirtschaftliche Instabilität Argentiniens verantwortlich gemacht werden. Die oppositionelle Mitte-Links-Partei Fuerza Patria kam gerade mal auf rund 31 Prozent der Stimmen. „Milei hat auch mangels starker Alternativen in der Opposition gewonnen“, sagt Musacchio. Das spiegelt sich auch in der Wahlbeteiligung wider. Sie lag bei gerade einmal 68 Prozent – dem niedrigsten Wert seit über 40 Jahren. Und das, obwohl Wählen in Argentinien gesetzlich verpflichtend ist.