Teilnehmer einer Stadtbild-Demo gegen Merz. © dpa
München – Wenn Ex-Kanzlerin Angela Merkel in aktuellen Debatten Kritik äußert, dann ist es nicht immer sofort als solche erkennbar – vor allem, wenn es um Nachfolger Friedrich Merz geht. So hat sich die Altkanzlerin auch diesmal ganz unterschwellig zu der seit Tagen tobenden Stadtbild-Debatte geäußert. Bei der Lesung ihrer Autobiografie „Freiheit“ hat sie nämlich offenbar ganz bewusst einem bestimmen Thema besonders viel Zeit gewidmet: dem Flüchtlingsjahr 2015.
Gerade in der Flüchtlingspolitik müsse man „in der Sache redlich und im Ton maßvoll“ agieren, mahnt Merkel. „Die übergroße Mehrheit der Menschen hat ein untrügliches Gespür dafür, ob Politiker aus reinem Kalkül handeln, ob sie sich sogar von der AfD gleichsam am Nasenring durch die Manege führen lassen, oder ob sie handeln, weil sie aufrichtig daran interessiert sind, Probleme zu lösen“, liest sie am Montagabend in Bonn aus ihrem Buch vor. Für demokratische Parteien seien „Maß und Mitte“ Voraussetzung ihres Erfolgs.
Merkel scheint damit einen Nerv zu treffen. Denn laut einer aktuellen Forsa-Umfrage für den „Stern“ finden zwei Drittel (66 Prozent) der Deutschen, dass Kanzler Merz seine Worte und Formulierungen künftig sorgfältiger abwägen sollte. Nur 30 Prozent finden seine Wortwahl im Allgemeinen angemessen.
Auch Merz‘ Aussage, als er dazu gefragt worden ist, was genau er mit Problemen im Stadtbild meine („Fragen Sie mal Ihre Töchter“), sorgt weiter für Unmut. Jetzt haben 60 Frauen aus Kultur, Wissenschaft und Politik in einem offenen Brief zehn konkrete Forderungen an die Bundesregierung aufgestellt. Dazu zählt die konsequentere Strafverfolgung von sexualisierter Gewalt, die Aufnahme der Tötung von Frauen wegen ihres Geschlechts (Femizid) als eigenen Tatbestand ins Strafgesetzbuch und die Reform des Abtreibungsparagrafen 218. „Wir möchten gerne über Sicherheit für Töchter, also Frauen sprechen“, heißt es in dem offenen Brief. „Wir möchten es allerdings ernsthaft tun, und nicht als billige Ausrede dienen, wenn rassistische Narrative rechtfertigt werden sollen.“ Zu den Unterzeichnerinnen gehören Grünenpolitikerin Ricarda Lang, Klimaaktivistin Luisa Neubauer und Musikerin Joy Denalane.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, die auch Vorsitzende der Frauenunion der CDU ist, sieht Handlungsbedarf bei der Sicherheit für Frauen. An bestimmten Orten gebe es „No-go-Areas“ für Frauen. Dies sei auch ein Migrationsthema.
Auch Bayerns SPD-Landesvorsitzender Sebastian Roloff räumt „Herausforderungen in unseren Städten“ ein. Diese werde man „aber nicht durch Abschiebefantasien in den Griff bekommen“. Deswegen fordert er eine „Zukunftsstrategie Innenstadt“ für Bayern, unter anderem gegen Leerstand. LEONIE HUDELMAIER