Der Abschlussappell eines Offizierslehrgangs auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck 2019. © Döring/dpa
München/Fürstenfeldbruck – Es sind ehemalige Munitionsbunker und Übungsplätze, Schießstände und Tanklager, aufgegebene Kasernen und Fliegerhorste: manchmal heruntergekommene Brachflächen, manchmal Top-Flächen in bester Lage. Für rund 200 Flächen, die die Bundeswehr schrittweise loswerden wollte, gibt es jetzt einen radikalen Verkaufs-Stopp. Das geht aus einem detaillierten Schreiben aus dem Verteidigungsministerium hervor, das unserer Zeitung vorliegt.
Es sei „absehbar, dass durch die erforderliche Aufwuchs- und Verteidigungsfähigkeit der Streitkräfte Bedarfe an Liegenschaften entstehen werden“, formuliert Verteidigungs-Staatssekretär Sebastian Hartmann (SPD) in feinstem Behördendeutsch. Sein Chef, Minister Boris Pistorius, habe bei 13 Flächen „von einer Rückgabe abgesehen und die Nutzung fortgesetzt“. Bei 187 ehemaligen Militär-Liegenschaften, die sich im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) befinden, gibt es ab sofort ein Moratorium. Man sei sich bewusst, dass viele Kommunen andere Pläne mit den Flächen hatten, formuliert der Staatssekretär: „Der gesamtstaatliche Verteidigungsauftrag überwiegt jedoch.“
Der prominenteste Fall liegt mitten in Bayern, 200 Hektar groß: Der Fliegerhorst Fürstenfeldbruck, der bis spätestens 2030 in zivile Hände gehen sollte, bleibt bei der Truppe. Dort war ein ganzes neues Stadtviertel geplant, die Kommune ist mit umfangreichen Planungsmitteln in Vorleistung gegangen – und bleibt nun vielleicht auf den Kosten sitzen, wenn keine Fördermittel fließen. Vor Ort ist das seit Mitte September bekannt. Vielleicht werden Teilflächen des Areals noch freigegeben, sagte Oberbürgermeister Christian Götz damals, dann aber wohl primär fürs Gewerbe. „Es wird keinen Wohnungsbau geben, keine Kultur und keine Naherholungsflächen.“ In der Liste der 187 Moratoriums-Grundstücke stehen außerdem die Teilfläche der Asyl-Erstaufnahmeeinrichtung und der Standortübungsplatz.
In Erding trifft es den Fliegerhorst, hier aber nur zum Teil. Die Flächen für den Bahnhof, die Erdinger Umgehungsstraße, die Nordanbindung, ein Anker-Zentrum und das Defense-Lab mit unter anderem dem geplanten Drohnen-Zentrum gibt die Bundeswehr weiterhin ab. Im schwäbischen Sonthofen bleiben die Jäger- und die Grünten-Kaserne nun doch bei der Bundeswehr. Für den ehemaligen Flugplatz Penzing gibt es ein Moratorium, wo eigentlich ein Hochschul-Campus, Wohnungen, Büros, Supermärkte, ein Konferenzzentrum und Sportplätze geplant waren. In Mittenwald trifft es ein früheres Dienstleistungszentrum an der Tiefkarstraße, in Garching die ehemalige Munitionsanstalt. In Geisenfeld bei Pfaffenhofen will die Truppe die ehemalige Patriot-Stellung und die Bunker behalten.
In Berlin soll der militärische Teil des Flughafens Tegel nicht abgegeben werden, in Wilhelmshaven und Ulm behält die Bundeswehr die Kasernen, wohl auch in Würzburg und Wildflecken, Köln, Düren, Bielefeld und Soest. Einer der ganz großen Brocken ist das ehemalige Nato-Hauptquartier in Mönchengladbach.
Wo immer möglich, werde man zivile Planungen berücksichtigen, heißt es aus dem Ministerium. Die Fachpolitiker aus der Koalition stellen sich dahinter. „Das ist die Zeitenwende, die damit im Land sichtbar wird“, sagt Thomas Erndl (CSU), der verteidigungspolitische Sprecher der Union, unserer Zeitung. „Die Bundeswehr wird wachsen und braucht mehr Platz.“ Da sei es richtig, zuerst auf bundeseigene Flächen zuzugreifen und Abgabe-Pläne an die Kommunen zu stoppen.
Für Deutschland ist das eine gewaltige Wende. Dass die Bundeswehr in der Fläche schrumpft, Grundstücke abgibt, war seit den frühen 90ern der Trend, beschleunigt nach dem Wehrpflicht-Aus 2011.