KOMMENTAR

Die SPD wiederholt die Ampel-Fehler

von Redaktion

Regierung im Streitmodus

Nein, eine Liebesheirat ist diese Koalition nie gewesen. Eher ein Zweckbündnis. Das war den Parteispitzen schon klar, als sie Anfang Mai ihre Unterschriften unter den Koalitionsvertrag mit dem staatstragenden Titel „Verantwortung für Deutschland“ setzten. Schon der Anfang war holprig, nach kurzer Annäherung nehmen nun die Krisensymptome wieder zu. Nach nicht einmal einem halben Jahr rechnet schon die Hälfte der Deutschen mit einem vorzeitigen Ende des Bündnisses.

Aus der SPD gibt es inzwischen täglich Protest gegen die eigene Regierungspolitik und den Kanzler. Die Stadtbilddebatte? Furchtbar! Eine Dienstpflicht? Um Gottes willen! Seit Kurzem läuft in der Partei ein Mitgliederbegehren gegen die Bürgergeld-Reform. Es gibt noch eine erstaunlich starke Strömung, die die SPD eher als Partei der Sozialhilfebezieher denn als Partei der Arbeiter sieht. Bemerkenswert ist auch der über die Parteiflügel hinweg wachsende Druck in Sachen Erbschaftssteuer. Sowohl die konservativen Seeheimer als auch die linken Jusos wollen die Besteuerung großer Erbschaften deutlich erhöhen. Trotz offener Signale von Unions-Fraktionschef Jens Spahn birgt dies weiteren Sprengstoff, vor allem mit der CSU.

Drei Jahre lang konnte die SPD in der Ampel-Regierung von den besten Plätzen aus beobachten, wie man eine Koalition systematisch an die Wand fährt. In diesem unglückseligen Bündnis pochten vor allem Grüne und FDP dogmatisch auf ihre Positionen. Mühsam ausgehandelte Kompromisse wurden im Nachhinein schlecht geredet. Geschadet hat es allen drei Beteiligten: Die Grünen landeten in der Opposition, die Liberalen in der Bedeutungslosigkeit – und die Genossen in der Regierung von Friedrich Merz. Trotzdem nimmt sich die SPD dieses Vorgehen nun als Vorbild, spielt Regierung und Opposition in einem. Wie soll das erst werden, wenn demnächst über die wirklich großen Fragen Rente, Gesundheit und Pflege diskutiert wird?

Die entscheidende Rolle kommt nun Finanzminister Lars Klingbeil zu, der trotz der Abstrafung beim Parteitag die Kanzlerkandidatur 2029 weiter fest im Blick hat. Schafft er es, die eigenen Reihen zu beruhigen und zu disziplinieren? Falls nicht, startet die SPD auf verlorenem Posten in von ihr verschuldete vorgezogene Neuwahlen. MIKE.SCHIER@OVB.NET

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