Valencia: Wiederaufbau und Wut

von Redaktion

Der Morgen nach der Katastrophe: Das Bild aus ging um die Welt. © epa

Valencia – Die Straßen sind wieder passierbar. Aber die Wut ist in Valencia auch ein Jahr danach noch zu spüren, erst am Samstag gingen wieder 50000 Menschen auf die Straße. Die Berichte über Versäumnisse in der Nacht der Katastrophe zum 30. Oktober 2024 wiegen einfach zu schwer. Es läuft ein Strafprozess gegen damalige Verantwortliche. Um 16.41 Uhr waren die ersten Notrufe eingegangen über eingeschlossene Menschen in überfluteten Wohnungen oder auf Hausdächern und erste Tote. Bis sich der Krisenstab um 20.11 Uhr endlich zu der Handy-Warnung durchrang, gab es rund 15000 Anrufe bei der Notrufzentrale. Wegen der viel zu späten Warnung tragen viele der Demonstranten seither Hemden mit der Aufschrift „20:11 Ni oblit ni perdó“ (Valencianisch für „Kein Vergessen kein Vergeben“). Das Vertrauen vieler Menschen in die Institutionen hat gelitten.

In dieser Nacht verwandelten sintflutartige Regenfälle ganze Landstriche der spanischen Region Valencia in ein Katastrophengebiet. Binnen Stunden ging so viel Regen nieder, wie sonst in einem Jahr. Dazu gab es teils orkanartige Winde und Hagel. Mehr als 220 Menschen starben, Tausende wurden verletzt oder obdachlos. Straßen wurden fortgerissen, Fabrikhallen weggespült, Felder verwüstet. Die wirtschaftlichen Schäden werden auf 17 bis 18 Milliarden Euro geschätzt. Zwölf Monate später sind Straßen zwar wieder passierbar, viele Geschäfte geöffne. Doch die Katastrophe hat tiefe Wunden hinterlassen. Viele stehen vor einem Scherbenhaufen. Ohne Ersparnisse und ohne stabile Arbeit, oft ohne ein richtiges Zuhause.

Wie etwa Paco. Der 34-Jährige muss mit Frau und den beiden Kindern in einem Zehn-Quadratmeter-Zimmer die Nächte verbringen, weil ihr Haus trotz der Hilfen bis jetzt nicht total instand gesetzt ist. „Ich habe Zukunftsangst und jede dritte, vierte Nacht Alpträume“, sagt er. Paco geht es noch vergleichsweise gut. Nach Angaben der Stiftung Fundación Madrina sind rund 20000 Familien noch immer auf Lebensmittelausgaben angewiesen, um über die Runden zu kommen. „Viele mussten die staatlichen Hilfen vollständig in den Wiederaufbau ihrer zerstörten Häuser stecken“, sagt Stiftungsleiter Conrado Giménez.

Auslöser des Dramas war eine „Dana“, ein meteorologisches Phänomen, das vor allem im Herbst schwere Unwetter mit sintflutartigen Regenfällen und Sturzfluten verursacht, insbesondere im Mittelmeerraum. Es entsteht, wenn eine isolierte, kalte Luftmasse in der Höhe auf warme, feuchte Luft in Bodennähe trifft. Wie schon bei anderen Naturkatastrophen verwiesen Experten auf den Klimawandel, der es wahrscheinlicher mache, dass es zu solchen Unwettern komme, weil sich das Mittelmeer immer stärker erwärme und damit auch die bodennahe Luft.

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