Die Aufholjagd des jungen Hasen Jetten

von Redaktion

Mann der Stunde: Rob Jetten. © Dejong/dpa

München/Den Haag – Mit Aufholjagden und dem richtigen Moment zur Attacke kennt sich Rob Jetten aus. Der Mann, der nächster Ministerpräsident der Niederlande werden dürfte, war früher ein vielversprechender Leichtathlet, unterwegs auf Mittel- und Langstrecke. Unter anderem gab er den Tempomacher für die spätere Marathon-Olympiasiegerin Sifan Hassan. Solche Leute werden auch „Hasen“ genannt. Ihre Aufopferung lässt andere glänzen.

Nun ist es Jetten selbst, der im Fokus steht. Bei den Parlamentswahlen liegt die von ihm angeführte linksliberale Partei D66 nahezu gleichauf mit der PVV des Rechtspopulisten Geert Wilders. Weil mit dem niemand mehr zusammenarbeiten will, läuft alles auf Jetten zu, den 38-jährigen Parteichef, der vor zwei Wochen noch abgehängt schien. Dann legte er einen mitreißenden Spurt hin.

Zugegeben, er hatte ein bisschen Glück, aber auch Gespür. Weil Wilders als Reaktion auf ein angeblich drohendes Attentat für einige Tage den Wahlkampf einstellte, rutschte Jetten als vierter Spitzenkandidat in eine TV-Debatte. Dort punktete er mit liberalen Positionen und einem einnehmenden Auftreten. Kurz darauf war er Gast in der Quizshow „Der klügste Mensch“, wo er sich nicht nur clever präsentierte, sondern auch entspannt und volksnah. In nicht vielmehr als zwei Wochen verdoppelten sich die Werte von D66 beinahe, von 14 Sitzen laut Umfragen auf nun wohl 26.

Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil Jetten nicht immer so gut ankam. In jüngeren Jahren galt er als Streber, faktensicher, aber ernst und rhetorisch bieder. Ein niederländischer Scholzomat. Das hat sich gründlich geändert, wie er in einem Interview bestätigte: „Der beste Rat, den ich damals bekam, war: Erzähle deine Geschichte so, als würdest du mit Freunden am Tisch sitzen.“

In so ziemlich jeder Hinsicht ist Jetten das Gegenteil von Wilders. Er ist proeuropäisch, sammelte als Klimaminister unter Mark Rutte Regierungserfahrung und hat dem aggressiven Auftreten des Rechtspopulisten eine demonstrativ positive Agenda entgegengesetzt. Bei einem TV-Duell attestierte er Wilders kurz vor der Wahl „20 Jahre griesgrämigen Hass“, ohne je eine Lösung parat gehabt zu haben. Nun strebt Jetten ein Bündnis an „mit allen positiven Kräften der Mitte“.

Die Niederlande waren lange ein liberale Gesellschaft, aber auch hier ist das Zusammenleben schwieriger geworden. Jetten stellt das am eigenen Leib fest, seit er sich 2016 als homosexuell outete. Vor einigen Jahren machte er Hasskommentare öffentlich, die er haufenweise erhalte. Er ist mit mit einem argentinischen Hockey-Nationalspieler verlobt, nächsten Sommer wollen die beiden in Spanien heiraten. Die Terminsuche dürfte nun nicht einfacher werden. MARC BEYER

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